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Einleitung
In der ersten Hälfte der 1990er Jahre wurde in den landwirtschaftlich geprägten Schutzgebieten des Havellandes deutlich, dass bei einigen Limikolenarten, der Großtrappe und beim Rebhuhn trotz des großflächigen Grünlandmanagements (gesteuerte Bewirtschaftungstermine, Verbot von Agrochemikalien, Wassereinstau) die Nachwuchsrate das bestandserhaltende Limit nicht erreicht. Erste Analysen zeigten, dass dafür nicht mehr, wie in früheren Jahrzehnten, landwirtschaftliche Aktivitäten verantwortlich waren, sondern die hohen Gelege- und Jungvogelverluste durch Prädatoren (LiTzBARSKI 1998, LITZBARSKI& LITZBARSKI 1996).
In der Diskussion über diese Entwicklung und ihre Folgen für den Fortbestand dieser Arten gab es neben polemischen Stimmen(RıcHArz et al. 2001, StTEIOF& ALTENKAMP 1999) neue Untersuchungsergebnisse, die eine sachliche Auseinandersetzung mit der Thematik„Prädation als Naturschutzproblem“ ermöglicht haben(BELLEBAUM 2001 a, b, 2002, BEscHow 1998, GorETzkI et al. 1997, 1999, HARTLEB& STUBBE 1996 LANGGEMACH& BELLEBAUM 2005, RYsLAVY& LANGGEMACH 1999).
Der Staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburgs verdanken wir zwei Veranstaltungen(2000, 2004) zum Thema„Prädation und Bodenbrüter“, in denen Ergebnisse von Freilanduntersuchungen auch aus anderen Bundesländern vorgestellt und im Zusammenhang mit Schutzmaßnahmen diskutiert wurden(RysLAvY& LANGGEMACH 1999, Vogelwelt Heft 4, 2005).
Die Fakten belegen, dass seit Jahren deutschlandweit, auch in den speziell behandelten Schutzgebieten, Kiebitz, Großer Brachvogel , Uferschnepfe, Rotschenkel und Großtrappe vor allem auf Grund sehr hoher Gelege- und Jungvogelverluste durch Prädation keine bestandserhaltenden Nachwuchsraten erreichen. Es gibt nur wenige Ausnahmen, z.B. die Brutbestände auf weitgehend raubsäugerfreien Inseln(BescHow 1998, Köster et al. 2001).
Für Brandenburg geben die Berichte des Landesumweltamtes über negative Bestandsentwicklungen dieser Arten hinreichend Auskunft (RysLAvy 1993-2007).
Auch Daten aus der Großen Grabenniederung, die vor 10 Jahren als erste Belege für den zu erwar
Otis 16(2008)
tenden dramatischen Bestandsrückgang angeführt wurden(LıTzsArskKı 1998), bestätigen bis 2008 die befürchtete Entwicklung(Tab. 1).
Trotz der seit Jahren publizierten Belege gibt es von Seiten des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt- und Verbraucherschutz(MLUV) keine ernsthaften Versuche zur Lösung dieses Problems. In den zurückliegenden 15 Jahren hat das aufwändig von der EU und der Landesregierung finanzierte Flächenmanagement bei der Nachwuchsrate von Kiebitz , Großem Brachvogel, Rotschenkel, Uferschnepfe und Großtrappe, bedingt durch die hohe Prädation der Gelege und Jungvögel, keine positive Wirkung erzielt.
Das Landesumweltamt Brandenburg und der Förderverein Großtrappenschutz e.V. haben 1992-2002 mit dem Ziel der Förderung der Großtrappen und Limikolen mit Prämienzahlungen versucht, den Abschuss von Fuchs und Marderhund in den NSG Havelländisches Luch und Belziger Landschaftswiesen zu erhöhen. Das ist nur teilweise gelungen, denn nur knapp20% der Jägerschaft, die 50% der Fuchsstrecke erbracht haben, haben sich nennenswert in die Bemühungen zur Reduzierung der Fuchsdichte eingebracht(Goretzkı et al. 1997). Positive Auswirkungen auf die Nachwuchsrate der relevanten Bodenbrüter sind ausgeblieben (Schwarz et al. 2005). Die Ergebnisse einer in diesem Zusammenhang vom Umweltministerium, damals MUNR Brandenburg, kurzfristig in Auftrag gegebene Studie(GoreTzkı et al. 1997,1999) wurden nie mit den Mitarbeitern im Landesumweltamt ausgewertet.
Gleiches gilt für positive Erfahrungen aus Ungarn über den erfolgreichen Einsatz versierter Berufsjäger im MOSON -Projekt(FAraG6 et al. 2001). In diesem Großtrappeneinstandsgebiet in der NordwestEcke Ungarns hat sich der Großtrappenbestand bei einer mittleren Nachwuchsrate von 0,85 flüggen Jungen je Henne in 8 Jahren von 20 auf mehr als 100 Individuen erhöht, mit Ausbreitungstendenzen der Bruthennen in die angrenzenden Agrarflächen Österreichs (H. Wurm) und der Slowakei . Die slowakische Regierung hat auf diese Entwicklung mit der Ausweisung des SPA„Syslovske polia“ (ca.1.850 ha) direkt an der Grenze zum ungarischen Vorkommen reagiert(LITZBARSKI& LITZBARSKI 2005).