Heft 
Band 20
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Fiddicke: Zum Auftreten nicht-artspezifischer Gefiedermerkmale bei Vögeln 65

die natürliche Zuchtwahl(Selektion), die in der ständigen Auseinandersetzung mit der Umwelt, ungeeignete Varianten von der Fortpflanzung und damit von der Weitergabe ihrer erblichen Eigenschaften- ausschließt, ermöglichte erst die Entstehung von hochentwickelten Lebensformen auf dem heutigen Niveau mit der ungemeinen Vielfalt an Vogelarten.

Begünstigend für die natürliche Zuchtwahl wei­ßer Formen sind Klimabedingungen mit langen Schneeperioden. Parallel hierzu hat die Evolution unter Wüstenbedingungen verblasste Federkleider favorisiert. Beim Anblick einesmerkwürdig ge­färbten Vogels kommt es für den Beobachter darauf an, zu entscheiden, ob die Farbvariante bewähr­tes Allgemeingut einer Art verkörpert oder eine Farbaberration eine spontan aufgetretene Farb­abweichung bei einem Individuum- vorliegt. Der abweichend gefärbte Vogel ist gemeinhin gegen­über Artgenossen im Nachteil. Insbesondere der reine Weißling gilt alsSchwächling, seine Fort­pflanzung in der Natur nahezu als ausgeschlossen, weil mit dem Farbstoffmangel zumeist körperliche und psychische Veränderungen verbunden sind, die sich nachteilig für das Tier auswirken. Betrifft der Pigmentausfall beispielsweise die Netzhaut der Augen, wird die Sehleistung negativ beeinträchtigt. Der schwerwiegendste Nachteil dürfte jedoch der Verlust von artspezifischen Gefiedermerkmalen sein, womit das einfachste Mittel der Kommunika­tion mit Artgenossen eliminiert worden ist.

Einen Sonderfall in der Evolution stellen die poly­morphen Hochzeitskleider der männlichen Kampf­läufer Philomachus pugnax dar. Die Hähne führen uns nahezu das komplette Sortiment denkbarer Färbungstypen vor Augen. Die Färbungen von Schnabel und Beinen variieren von dunkelgrau, orangefarben bis rötlich. Scheinbar nach Belieben gestaltet die Natur Gefiederpartien schwarz, braun, rotbraun, ockergelb oder weiß sowie gebändert, gefleckt oder zeichnungslos. Die Kampfläuferhäh­ne versammeln sich an traditionellen Balzplätzen und stellen ihre extravagante Federpracht weithin sichtbar zur Schau. Auf derBalzarena wird un­ter den Männchen ein Turnier ausgetragen, ein Scheinkampf bei dem durch Imponier- und Droh­gebärden eine Hierarchie entsteht. Hier paaren sich anschließend die Männchen mit einer mehr oder

weniger großen Anzahl von Weibchen. Erst durch grundlegende Änderungen des Sozialverhaltens und der Fortpflanzungsstrategie konnte der Aus­tausch genetischen Materials extrem aktiviert wer­den(SCHEUFLER& STIEFEL 1985).

3. Regionales Material

3.1. Farbaberrante Vögel

Es werden nur Funde dargestellt, wo wenigstens fünf Prozent des Gefieders(also eine oder mehrere Körperpartienoderdasgesamte Federkleid)abnorm gefärbt sind. Nicht mitteilenswert erscheinen die zahlreichen Beispiele von einzelnen oder wenigen Federn mit untypischer Weißfärbung. Besonders häufig wurden im Oderbruch Farb-abweichungen bei nordischen Gänsen registriert: So fand sich partieller Leukismus(Leucismus) bei der Saatgans Anser fabalis, allein 1998 bei insgesamt acht Vögeln. Darunter befand sich ein Fall mit extrem asymmetrischer Ausprägung, wobei ausschließlich die linke Körperhälfte mit über 90% Weißanteil betroffen war. Bei der Blessgans Anser albifrons wurden oft auch vollständig chlorochroistische Vögel(sowohl beigefarbene Stücke als auch solche mit Grautönung) gesichtet. Je eine Blessgans mit pechschwarzem Federkleid, sämtliche normal graubraun pigmentierten Federn waren jeweils hochgradig melanistisch, wurde im Oktober 1997 (Altvogel) sowie im Oktober 2000(Jungvogel) beobachtet.

Auswahl bemerkenswerter Funde- Artenliste

1. Gänse-Hybrid Weißwangengans und Blessgans Branta leucopsis x Anser albifrons

30.9.2012, Altfriedländer Teiche, 1 Ind.(M. Fid­dicke)- Schnabel(rosa), Kopf und cranialer Hals­bereich(weiß) täuschend ähnlich gefärbt wie bei derZwergschneegans A. rossii, Rumpf rußig schwarz. Typisch für Weißwangengans-Blessgans­Hybriden, die regelmäßig im Winterhalbjahr im Oderbruch rasten, ist eine starke Anreicherung von Melanin im Gefieder, so dass Verwechslungsgefahr mit melanistischen, reinerbigen Weißwangengän­sen besteht.