Otis 21(2014): 101- 104
Andreas Herrmann
HERRMANN, A.(2014): Hoch gelegene Gebäudebrut des Gartenbaumläufers Certhia brachydactyla in der Potsdamer Innenstadt, Otis 21, 101-104.
Eine in 22 m Höhe gelegene Gebäudebrut des Gartenbaumläufers wird hinsichtlich struktureller Merkmale des Brutplatzes und einiger Verhaltensweisen der Altvögel beschrieben. Es folgt ein kurzer Vergleich mit weiteren Belegen von Gebäudebruten der heimischen Baumläuferarten. HERRMANN, A.(2014): High-Iying Short-toed Treecreeper Certhia brachydactyla breeding site in Potsdam city centre, Otis 21, 101-104.
This article describes the structural details of a Short-toed Treecreeper nest at a height of 22 metres on the outside of a block of flats with notes on the bird’s behaviour. Brief comparative reference
is made to other recorded cases of house-breeding Treecreepers. Andreas Herrmann, Burgstraße 2, 14467 Potsdam ; E-Mail: aherrmann4x2@t-online.de
An einem siebengeschossigen Potsdamer Hochhaus in Havelnähe wurde im Frühjahr 2012 eine bemerkenswerte Brut des Gartenbaumläufers festgestellt(Abb. 1). Hinter dem Ortblech(Attikablech) eines über dem höchsten Obergeschoss gelegenen Flachdaches wurden Nistmaterialien(Reisig) verbaut, die kaum erkennbar aus dem nach unten öffnenden Blech heraus ragten.
Die von den Baumläufern überwiegend genutzte Hauswand ist nach Nordosten gerichtet, der eigentliche Nistplatz lag jedoch in einem nach Südosten gerichteten Wandabschnitt. Die Wandflächen tragen derzeit Rauputz von relativ grober Textur und bilden typischerweise gleichmäßig angeordnete, perlige bis scharfkantige Strukturen von bis zu vier Millimeter Höhe und drei bis zehn Millimeter Ausdehnung. Die Oberfläche entspricht strukturell damit eher einer flechtenreichen Rinde als einer steinernen Wand, ist aber ungleich härter(Abb. 2). Die Höhe des Nistplatzes über dem umgebenden Gelände betrug ca. 22 m(mit dem Lot ermittelt). Zur gleichartig erbauten Giebelwand des Nachbarhauses besteht ein Abstand von ca. 25 m. Schräg unterhalb des Brutplatzes steht ein ca. 50 Jahre alter, reich verzweigter Silber-Ahorn(Acer saccharinum), dessen Krone von den Altvögeln regelmäßig vom Nistplatz aus direkt angeflogen wurde (Abb. 3). Bis zur Kronen-Oberkante waren dabei ca. zehn Meter offener Luftraum zu überwinden. Benachbart schließen parkartige, licht mit Bäumen
und Sträuchern bestandene Flächen an, die zur Ha vel („Alte Fahrt“) und zur nahen Freundschaftsinsel führen.
Die erste Beobachtung des Brutpaares und die Feststellung verbauten Nistmaterials gelangen in den letzten Märztagen des Jahres 2012. Der Brutplatz erschien am 21.Mai verlassen und die Jungvögel waren vermutlich ausgeflogen. Bis zum Vortag waren Rufe aus dem Nest zu hören und die Elternvögel ununterbrochen beim Futtereintragen zu beobachten. Nach der Brutsaison konnte am 2. November noch einmal ein Gartenbaumläufer beobachtet werden, der sich an der Wand nahe dem Nest aufhielt.
Der Anflug der Baumläufer an die Hauswand erfolgte jeweils am obersten Geschoss auf Höhe einer Balkonbrüstung. Von dort wurden drei bis vier Meter Höhenunterschied kletternd bis zum Nest zurückgelegt. Nur in der frühen Phase der Brutzeit flogen die Altvögel die Wand bereits auf Höhe des darunter liegenden Geschosses an. Die Vögel kletterten bevorzugt direkt auf der Hausecke nach oben (Abb. 2). Die ebene Wandfläche wurde offenbar nur ungern zum Aufenthalt genutzt, z.B. um direkter Beobachtung durch Balkonnutzer zu entgehen. Die Vögel kehrten stets so schnell wie möglich zur Hausecke zurück. Einmal war zu beobachten, dass noch auf dem Weg zum Nest zusätzlich Beute mit dem bereits gefüllten Schnabel von der Hauswand aufgelesen wurde.