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Schriftenschau
DIERSCHKE, J., V. DIERSCHKE, K. Hürpop, 0. Hürpop & K.F. JACHMANN(2011): Die Vogelwelt der Insel Helgoland. Eigenverlag, Helgoland.(1)
Seit über 160 Jahren wird auf Helgoland intensiv Vogelkunde betrieben, seit 100 Jahren gibt es eine hauptamtlich besetzte Vogelwarte. Umso erstaunlicher ist es, dass es über diesen Hotspot der Ornithologie erst zwei zusammenfassende Darstellungen gab: Den Klassiker„Die Vogelwarte Helgoland“ von Heinrich Gätke (1891) und eine kurze kommentierte Artenliste von Gottfried Vauk(1972). Vielleicht hat gerade die Fülle des weit verstreuten Materials bisher von einer umfassenden Neubearbeitung abgehalten.
Die neue, als Gemeinschaftswerk der OAG Helgoand und der Vogelwarte entstandene Avifauna entschädigt voll und ganz für diese Wartezeit.
Buch beginnt mit einem allgemeinen Teil über die Lebensräume der Insel, die Geschichte der ornithoogischen Erforschung, die Aspekte der Vogelvorkommen und ausführliche Angaben über Material und Methoden. Den Hauptteil bilden die Artkapitel über die 426(!) nachgewiesenen Wildvogelarten sowie Angaben zu den festgestellten Gefangenschaftsflüchtlingen. Fast zu jeder Art gibt es ein auf Helgoland entstandenes Foto(bzw. bei älteren Irrgastnachweisen Fotos von Bälgen). Je nach Auftreten und Häufigkeit werden Grafiken zur Brutbestandsentwicklung, jahreszeitlichem Auftreten, Jahresverteilung der Nachweise und sichtbarem Zug sowie Ringfundkarten geliefert. Der Text ist knapp gehalten(bei regelmäßigen Durchzüglern meist 1-2 Seiten, bei häufigen Brutvögeln bis zu 4 Seiten), enthält aber zusammen mit den Grafiken alle wesentlichen Informationen zum Auftreten. Durch die langjährige und umfassende ornithologische Tätigkeit konnte auf ein riesiges Material
Das 630 Seiten starke, sehr ansprechend gestaltete|
Otis 19(2011)
griffen werden. So wurden etwa Beobach
zurückges tungstagebücher rückwirkend bis 1924 in einer Datenbank erfasst. Es können deshalb in der Avifauna so viele Aspekte des Auftretens der Vögel behandelt werden wie für kein anderes Gebiet in Deutschland und wohl nur wenige in Europa . Besonders spannend ist das bei häufigen Arten, deren Durchzug besser
abgrenzbar ist als im Binnenland, wo eine Trennung von Durchzüglern und Brutvögeln oft schwierig ist. Wer hätte zum Beispiel vermutet, dass der Kernbeißer neben einem Zuggipfel Anfang April noch
ein zweites, stark ausgeprägtes Zugmaximum Anfang Juni aufweist? Eine enorme Menge derartiger Details zeigt diese Avifauna, die auf Daten aus ei
nem sehr langen Zeitraum zurückgreifen kann.
Viele Beobachter. verbinden Helgoland mit den dort auftretenden Seltenheiten, und tatsächlich versetzt dieses Buch in Erstaunen, was sich schon
alles im Lauf der Zeit auf dieser kleinen Insel eingefunden hat. Die Avifaunistische Kommission der OAG Helgoland hat hier eine Herkulesaufgabe geleistet, denn sie hat sämtliche Seltenheitenmeldungen nach heutigen Maßstäben bewertet. Das hat dazu geführt, dass viele hundert publizierte oder sonst wie eingereichte Meldungen als nicht gesichert verworfen wurden. Sie sind alle in einem Anhang aufgeführt. So einige lange in der Literatur etablierte„Nachweise“ mussten dran glauben. Das Ergebnis ist eine Nachweisliste, auf die man sich nun vollständig verlassen kann und die allen wissenschaftlichen Ansprüchen genügt.
Die Avifauna Helgolands ist eine Fundgrube, die auch binnenländischen Ornithologen viel Neues und Interessantes bietet und in der zu lesen viel Spaß macht. Für Helgoland -Fans ist sie ohnehin ein Muss.
Wolfgang Mädlow