23. (P. ordentliche) Versammlung des XVII. Vereinsjahres.
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Baden, Württemberg, Thüringen, Hessen, Mecklenburg) schloß der reichhaltige Jahresbericht.
„Die ländliche Fortbildungsschule im Dienste der Wohlfahrtsarbeit“ behaudelte am 2. Tage der Köuigl. Kreisschulinspektor Peters, Harburg. Seine Ausführungen gipfelten in folgenden Leitsätzen: Die Zeit zwischen Volksschule und Heeresdienst weist im Leben unserer „arbeitenden“ Landjugend eine bedenkliche Lücke in Erziehung und Unterricht auf, die um des Einzelnen und der Gemeinde willen nach Möglichkeit ausgefüllt werden muß. — Als eine allen Jungburschen des Dorfes zugängliche Bildungsanstalt ist die moderne „Berufsschule“ hierzu in erster Linie geeiguet, zumal sie der ländlichen Wohlfahrtsarbeit überhaupt, sowohl in geistig-sittlicher als in wirtschaftlich-sozialer Hinsicht, wesentliche Dienste leisten soll. Die ländliche Fortbildungsschule erfüllt ihre Aufgabe an der Hand eines Lehrplanes, dessen „Interessenkreise“ im Sach-, Sprach- und Formunterricht die mittlere Linie zwischen Volks- und Fachschule innehalten. Die „berufliche Heimatkunde“ entnimmt dabei ihro materiellen und ideellen Stoffe den Lebens- und Arbeitsgebieten der Landbevölkerung. Auf dem Wege des Interesses und vermöge des Vertrauensverhältnisses zwischen Lehrer und Schüler leitet die ländliche Fortbildungsschule als natürlichster Ausgangspunkt von selbst und ungezwungen zu freieren Formen der Jugendpflege und Gemeindearbeit über. Ihren vollen Segen vermag sie erst dann zu entfalten, wenn die gesamte erwerbstätige Jugend auf dem Lande zu ihrem Besuche verpflichtet wird. Nur bereitwillige und anhaltende Mitwirkung der in jedem einzelnen Orte dazu Berufenen kann uns die Erreichung dieses Zieles verbürgen. — Der zweite Referent, Herr Kreisschulinspektor Otto-Pinne, behandelte die Bedeutung der Fortbildungsschule, namentlich vom nationalen Standpunkte aus.
Über „Erwerbsquellen des kleinen Mannes im Untereichsfeld in ihren Licht- und Schattenseiten“ referierte Herr Kaplan Becker-Nesselröden (Eichsfeld). Nach kurzen einleitenden Bemerkungen über die Lage und die Einwohner des Untereichsfeldes als südlichsten Teiles der Provinz Hannover an der Grenze zur Provinz Sachsen streifte Redner als Haupterwerbsquelle die Landwirtschaft, die wegen des welligen, fruchtbaren Bodens („Goldene Mark“ schon 992 bis heute genannt) und des warmen Klimas sehr gedeiht, aber wegen der Parzellierung auf fast sämtliche Einwohner einen seßhaften, eigentlichen Bauernstand nicht aufkominen läßt, entsprechend der Zahl der Bewohner aber auch nicht allen hinreichend Arbeit und Verdienst zu bieten imstande ist. Die Folge davon ist eine sehr starke Auswanderung (Sachsengängerei) der Männer als Handelsleute, Musikanten, Maurer, Zimmerleute und Dachdecker, sowie vieler Mädchen in die Rüben- und Spargelfelder, besonders bei Hannover-Döhren und Braunschweig, von