Heft 
(1907) 16
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14. (9- ausserordentliche) Versammlung des XV. Vereinsjahres.

Sonntag, den 9. Dezember 1906.

Trotz der ungünstigen Witterung das in den ersten Morgen­stunden eingetretene Schneegestöber hielt mit kurzen Unterbrechungen den ganzen Vormittag über an hatten sich gegen 11 Uhr vormittags über 80 Mitglieder und Freunde der Brandenburgia im Schlosse Ruh- wald auf Westend eingefunden, wo sie in liebenswürdiger Weise vom Besitzer, Herrn Bankier Siegfried Abrahamsohn empfangen wurden. Nach einer kurzen Begrüßungsansprache, in der besonders den Damen, welche trotz des bösen Wetters zahlreich erschienen waren, Anerkennung gezollt wurde, erteilte der 1. Vorsitzende, Herr Geh. Regierungsrat Friedei, dem Mitglied der Gesellschaft 0. Monke das Wort zu folgendem Vortrag über die Geschichte des Schlosses Ruhwald. Meine hochge­ehrten Damen und Herren! Die Großstadtluft ist, wie man gewöhnlich meint, der Sagenbildung nicht förderlich, und die Neuzeit und das mo­derne Leben erst recht nicht. Doch hier oben, wo sich die Brandungs­wogen des großstädtischen Lebens allmählich ausebnen, da schreitet sie doch noch, die erhabene Göttin der Poesie über den dürren Sand der märkischen Heide, und wo ihr flüchtiger Fuß nur ein Augenblick rastet, da sprießen Blumen, herrliche Sti'äuße oder kleine winzige Blau-Blüme- lein im gelben Sande, die uns zuwinken: ich habe dir etwas zu sagen! Dort, wo zwischen den Föhrenwipfeln der Spiegel der blauen Havel blinkt, berührt sie mit ihrem Zauberstabe den sandigen Hügel auf der schmalen Landzunge, und aus den Wassern taucht vor unserm innern Auge die triefende Gestalt des alten Wendenhäuptlings empor, den das treue Roß aus den Händen der erbarmungslosen Christen in die Hände ihres erbarmenden Gottes trug. Weiter westwärts im Jagdschloß am See weckt sie die weiße Frau, die nächtlicher Weile durch die Räume des Schlosses schreitet; auf demalten Luisen-Kirchhof beim Bahnhof

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