10. (8. außerordentliche) Versammlung des XVI. Vereinsjahres.
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Auf dem Wege durch die Elbwieseu zur Brücke konnten wir, rückwärts schauend, die Stadt im Abendsonnenschein betrachten. Der alte Teil wird elbeabwärts begrenzt von dem runden dicken Turm des Schlosses, das gegenwärtig als Kaserne dient. Daneben ragt das hohe Dach der Schloßkirche und darüber noch der schlanke Turm in die Höhe, dann folgen die Häuser der Stadt, über die sich endlich das Dach und die Doppeltürme der Marienkirche herausheben.
Hinter der Elbbrücke wurden die Kremser bestiegen, die nun allerdings mit uns wieder über die Brücke zuriicktahren mußten, denn der Weg zum Lutherbrunnen führt auf dem östlichen Ufer der Elbe stromaufwärts entlang. Wir hatten keine Zeit mehr, die beiden Kirchhöfe vor dem Elstertor zu besuchen, auf dem alten liegt eine Tochter Luthers und ein Enkel Melanchthons begraben. Nach kurzer Fahrt erblickten wir auf dem Abhang zwischen der Chaussee und dem Ufer die sog. Brüdersteine, zwei behauene Findlinge von ungefähr 1 m Höhe, die in einem Abstand von 20 m einander gegenüberstehen. Die Sage berichtet, daß sich hier zwei Brüder im Duell mit Jagdflinten erschossen hätten. Nach einer anderen Sage sollen sie beide im Kampf mit einander in die Elbe gestürzt sein. Der Blick auf die Elbe ist ohne großen Reiz; die Wiesen mit ihrem Buschwerk erhalten ihre Farben erst durch die goldene Abendsonne, die sie bescheint.
Der Cutherbrunnen ist ein bescheidenes Wirtshaus mit einem kleinen Garten, in dem die Gesellschaft sich für eine halbe Stunde zum Kafleetrinken niederließ. In einem der Gebäude befindet sich der Brunnen; es ist eine natürliche Quelle, die aus dem Abhang entspringt und deren Wasser in einem Bassin aufgefangen wird. Eine Inschrift gibt Auskunft darüber, daß Luther öfters hierher gewandert sein soll.
Die Wagen brachten uns wieder nach der Stadt zurück, wo wir so früh eintrafen, daß einige Teilnehmer schon mit dem Zuge 7,25 nach Berlin zurückfahren konnten. Die übrigen stiegen erst im Kaiserhof ab und versammelten sich hier zu einem Abendessen mit einigen Herren des Wittenberger Ausschusses.
Auch an dieser Stelle sei diesen Herren für ihre Bemühungen der Dank der Gesellschaft abgestattet. Jedenfalls gehört der Ausflug nach Wittenberg mit zu denen, die am reichsten an Belehrung waren und wird allen Beteiligten in dankbarer Erinnerung bleiben.