Rings um Berlin im Jahre 1858.
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man konnte noch bis zum Jahre 1870 auf den Moabiter Sandbergen die schönsten Dünenbildungen beobachten und die Jungen konnten in den zwischen den Sandbergen liegenden Torftümpeln Salamander und anderes Wassergetier fischen, so viel sie wollten.
Von den zahlreichen Strassen des jetzigen Stadtteils Moabit existierten im Jahre 1858 nur die Strasse Alt-Moabit, die Kirchstrasse und die Stromstrasse; und die im Zuge der Kirchstrasse verlaufende Moabiter Brücke führte ihren Namen mit Recht, denn sie bildete den einzigen Übergang von Moabit ans über die Spree. Wer in der Gegend der jetzigen Moltkebrücke, von Moabit kommend, über die Spree wollte, liess sieb im Boot von der Tichyschen Badeanstalt übersetzen; er gelangte, nachdem er den grossen Seegerschen Holzplatz passiert hatte, an der Schifferstrasse (jetzt Roonstrasse) auf den grossen Exercier- platz (den jetzigen Königsplatz). Von dem Südwestende des Exercier- platzes führte dann ein inzwischen längst verschwundener Weg, die kleine Querallee, in schnurgerader Richtung durch den Tiergarten auf die Viktoriastrasse zu und man konnte auf diesem Wege zu dem Ausgangspunkte unserer Rundwanderung zur Potsdamer Brücke zurück gelangen.
Wie gross die Veränderungen sind, die Berlin in der Zeit von 1858 bis zum heutigen Tage erfahren hat, erkennt man am besten daran, dass auf dem ganzen soeben beschriebenen Rundgange um die alte Stadt kaum ein Gebäude unverändert erhalten ist. Denken wir uns einen Berliner, der die alte Stadt aus der Zeit von 1858 gut kannte und der nach vierzigjähriger Abwesenheit jetzt hierher zurückkehrte. Er würde auf dem langen Wege des Verlaufes der alten Stadtmauer jetzt kaum noch etwas bekanntes vorfinden. Überall neue Häuser, neue Strassen, neue Namen. Und wo die alten Namen geblieben sind, ein gänzlich verändertes Bild.
Ich möchte dieses im einzelnen an der Potsdamer Strasse etwas näher zeigen.
Wo jetzt eine mächtig breite, feste Doppelbrücke im Zuge der Viktoria- und Potsdamer Strasse hoch über den Kanal wegführt, bestand eine recht bescheidene, einfache Brücke. Dieselbe war sehr schmal und so niedrig, dass so oft ein einigermassen grosses Schiff den Kanal passierte, die beweglichen Klappen der Brücke geöffnet wurden. Dieses brachte natürlich jedes Mal eine Unterbrechung des gesamten Fussgänger- und Wagen Verkehrs mit sich. Es war diese Einrichtung höchst lästig für die Passanten; es freuten sich über sie nur unpünktliche Schüler, die auf ihrem Wege zur Schule über die Brücke mussten; hatten sie doch jedes Mal eine gute Ausrede, wenn sie zu spät kamen; dann war eben allemal die Brücke aufgezogen.
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