Heft 
(1914) 22
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vor 20 Jahren aus Funden an der Wongrowitzer Pfarrkirche gefolgerte Erklärung noch ander weite Beweise beigebracht werden. Diese Deutung besagt, daß vor der Anwendung von Feuerstein, Stahl und Zunder zum Feueranmachen, die kaum 400 Jahre alt ist, der Feuerbohrer zu diesem Zweck auch in Deutschland allgemein benutzt wurde und daß die Näpfchensteine von jugendlichen, an den Frühmessen beschäftigten Ministranten herrfihren, die mangels ain frühen Morgen schwer beschaff­barer glühender Kohlen auf diese Art das Brennmaterial der Weihrauch­kessel entzündeten. Die Höhe, in der sich die Vertiefungen an den Kirchtüren finden, und ihre Abmessungen würden zu solcher Benutzung des Feuerbohrers bestens passen. An der Wongrowitzer Kirche finden sich aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts mehrere Näpfchen durch die Namen ihrer Benutzer bezeichnet, die als spätere Dorfschullehrer nach­gewiesen sind.

Der Vorsitzende bemerkt hierzu, daß in dem bekannten süd- französischen Wallfahrtsort Lourdes noch heute von frommen Besuchern in die Wände der Grotte Näpfchen mit Münzen gedreht werden. Das Steinmehl gilt als Volksmedizin, die Münze kommt in den Opferstock.

XV. Die Frage: Wo trat Joachim II. zum Protestantismus über? in Berlin oder Spandau, hat uns wiederholt beschäftigt. E. M. Herr Oberpfarrer Recke plädiert bekanntlich für die Nicolaikirche in Spandau. Vergl. Monatsbl. XVIll. S. 242.

Zu demselben Gegenstände äußert sich unser korr. M. Professor Dr. Otto Tschirch in seinen vor kurzem erschienenen Bildern aus der Geschichte der Stadt Brandenburg wie folgt:Über den Ort des feierlichen Übertritts bat lange Streit geherrscht. Bis in die neueste Zeit hat die Annahme vorgewogen, Joachim II. habe die erste evange­lische Abendmahlsfeier in Spandau begangen, und so hat der Kurfürst 1889 ein Denkmal vor der Spandauer Nikolaikirche zum Andenken an diesen Akt erhalten. Demgegenüber ist neuerdings überzeugend nach­gewiesen worden, daß der bedeutsame Vorgang sich nicht in Spandau, sondern in der Berlin-Köllner Hofkirche abgespielt hat. Bei allen Schriftstellern des 16. Jahrhunderts, die den Ort des Übertritts nennen, wird Berlin als solcher bezeichnet; insbesondere nennt es auch Buch­holzer, der Sohn des Propstes, der einst der Feier selbst beigewohnt hatte. Erst um 1630 kommt die entgegengesetzte Lesart auf, und es wird nun auch die unrichtige Behauptung dafür angeführt, Joachims Mutter, die lutherisch gesinnte Elisabeth, habe damals ihren Wohnsitz in Spandau gehabt, während sie doch erst viel später nach langwierigen Verhandlungen aus Sachsen dahin übergesiedelt ist. Für Berlin spricht auch ein wichtiges, gleichzeitiges Zeugnis des hiesigen (d. h. also des Brandenburger) Stadtarchivs, wonach zwei Geistliche von Neustadt Brandenburg 1539 zur Reformationsfeier nach Berlin gereist sind.