Michael-Kohlhas-Drameü.
Ein hrandenburgisches Kapitel vergleichender Literaturgeschichte von Paul Alfred Merbach.
In seiner Novelle von dem märkischen Roßhändler Michael Kohlhas 1 ), der nebenbei auch Landwirtschaft betrieb, hat H. von Kleist in einer dreifachen Beschäftigung mit dem Stoffe in den Jahren 1808, 1809 und 1810 alle Kunst angewendet, um folgendes Problem menschlich begreiflich zu machen: wie ein rechtlicher, redlicher Mann aus Rechtsgefühl zum Mörder und Räuber, wie ein schlichter, gottesfürchtiger Bürger aus verletztem Rechtsgefühl zum Verbrecher wird und ein tragisches Ende findet; „in keiner deutschen Erzählung tritt die gräßliche Tiefe des Lebens auf so lebendige Weise hervor wie in dieser.“ (Fr. Hebbel). Hier ist mit den Mitteln des Epos die Schilderung eines Charakters restlos erschöpft, der — um nur wenige Beispiele zu nennen — in Calderons Alcaldeu von Zalamea, in Otto Ludwig’s Erbförster
*) Ober die Quellen Kleists zum Kohlhas, über ihre dichterische Verwertung sowie über die charakteristischen Eigenschaften gerade dieser Novelle vgl. die abschließende Arbeit 0. Pniowers in Brandonburgia, Bd. 10, 1901/2, S.314/37. — Den Michael Kohl- has-Stoff auf der Bühne erörtert Eugen Wolff in Bühne und Welt, Bd. II. 2, 1900. S. 847/53, 895/900. Außerdem gehören noch hierher die Arbeit von Herrn. Davidts über die novellistische Kunst H. v. Kl.’s (in: Bonner Forschungen, Schriften der literarhistorischen (iosellschaft Bonn, N. F., Bd. 6, 1913), worin die Seiten 51/60 den Kohlhas behandeln, sowie Rudolfs Schlossers Ausgabe der Quellen zu Kleists M. K., 1913 (in Hans Lietzmanns Kleinen Texten zu Vorlesungen und Übungen). — Hinweisen möchte ich hier noch, der Kuriosität halber, auf eine „freie und zeitgemäße Bearbeitung“ des Kohlhas von Uhr. Hamann (1902), die den gewaltigen Fluß des Ganzen in einzelne Kapitel zerhackt und sich gestattet, einzelne Scenen, „solche, die das Familienleben schildern, mit volleren Farben auszumalen, um so einen milderen Gegensatz zu den vielen düsteren und furchtbaren Bildern zu gewinnen. Das vom Dichter bedauerlicher Weise eingeschobene Gespenst der verstorbenen Elisabeth als solches ist ausgeschieden.“ Mit solchen Manipulationen will der Bearbeiter „den Herzen der Volksgenossen ein schönes Werk des deutschen Genius näher und näher bringen“.
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