Heft 
(1916) 24
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Paul Alfred Merbach.

Christian Ullrich, in Hermann Bahrs Querulant eine dramatische Ausprägung gefunden hat. Den Kohlhas zeichnet die Konzentration auf einen Rechtsfall aus; eine Kleistsche Dichtung des Rechtes im allgemeinen ist auch die Novelle Der Zweikampf. 3 ) Im Werden des Kohlhas sind drei Phasen zu beobachten, die auch für diese Betrachtung wichtig sind: das Fragment, die Dresdner Novelle, der Berliner Abschluß; das Fragment verurteilt Kohlhasens Selbsthilfe, das Dresdner Bruchstück erkennt sie an, die abschließende Berliner Arbeit ist beeinflußt von patriotischen

2 ) In diesem Zusammenhänge ist der Hinweis nicht ohne Interesse, daß auch diese Novelle Kleists dem Schicksale einer Dramatisierung nicht entgangen ist; daß Theodor Körner bereits 1812 nach Kleists Erzählung Die Verlobung auf St. Domingo sein Schau­spiel Toni schrieb, braucht hier ja nur erwähnt zu werden. Der Zweikampf wurde zu einem echten Schauspielerstiick nmgeformt; ein Mitglied des Prager Theaters, Friederike Herbst, schrieb es sich 1889 zu ihrem Benefize; leider ist mir zum Vergleiche ein anderes Drama derselben Verfasserin, Sylvia, ans dem Jahre 1849 nicht bekannt geworden ivgl. O. Teuber, Gesch. d. Prager Theaters, Bd. 8, S. 897). Zunächst einige Worte Uber die Dramen-schreibende Schauspielerin:

Friederike Herbst (1808/66), ein in Ungarn geborenes Schauspielerkind, kam mit 12 Jahren in das Haus Ludwig Devrients und debütierte 1817 in dem bekannten Berliner Liebhabertheater Urania; als Mitglied der Fallerschen Gesellschaft spielte sie 1820 in Warmbrunn, wo sie Graf Olam-Gallas sah und an den Prager Theaterdirektor Franz v. Holbein - den späteren Leiter des Hannoverschen Hoftheaters und als Burgtheater­direktor der Vorgänger H. Laubes empfahl. Von 1829/54 hat sie dann in Prag gewirkt; ihre Vorgängerin war von 1826 an die Schwester Kichard Wagners, Rosalie, gewesen. Ein großer Reichtum künstlerischer und menschlicher Ausdrucksmittel stand ihr zur Verfügung: sie vermochte dio herrisch-leidenschaftliche Königin Christine ebenso lebendig zu machen wie die duldende, schwindsüchtige Marie in Ranpachs bekanntem Volksstücke Der Müller und sein Kind ; von Shakespeares Viola bis zu Goethes Margaretha von Parma hat sie in einer 25jährigen Prager Tätigkeit alle Skalen weiblicher Gestalten und Gefühle durchlaufen.

Das StückLittegarde nun ist nie gedruckt erschienen, ebensowenig ist es hand­schriftlich noch vorhanden; nur der nachfolgend abgedruckte Bericht gibt einen Begriff davon, wie unter den Händen einer rein theatralischen Natur eine novellistische Meister­schöpfung zugerichtet werden konnte in einer Zeit, in der das dramatische Schiller- epigonentnm bereits anfing, den neuen Gedanken und Formen des Jungen Deutschland zu weichen. (Allgemeine Theaterchronik, Leipzig, 4. April 1889, Nr. 43 Correspondenz aus Prag, 1. März 1839, signiert mit der Chiffre F. A. W.)

Herzog Wilhelm von Braisach wird plötzlich auf einem Ritte durch einen unbe­kannten Meuchelmörder ermordet. Seine Gemahlin Catharina läßt ihrem unmündigen Sohne huldigen, fordert aber zugleich alle ihre Vasallen auf, die Spur des Meuchlers zu verfolgen, und schwört nicht fürder zu ruhen, bevor der Schuldige nicht bestraft und Wilhelms Tod gerächt sei. Die Waffe (ein Pfeil), mit welcher Wilhelm die Todeswnnde empfing, wird vorgezeigt und Meister Gottfried erkennt sie als Eigentum des Grafen Jakob des Rotbartes, für welchen er sie selbst verfertigt zu haben vorgiebt. Der Verdacht des Mordes fällt auf den Rotbart und wird noch mehr vermehrt, als ein Bürger aus Braisach behauptet, er habe am Tage des Mordes den Grafen Jakob ganz gegen seine Gewohnheit ohne alle Begleitung durch den Wald, in welchem der Mord vorfiel, reiten sehen. Graf Jakob wird des Mordes angeklagt und der Streit dem Kaiser vorgelegt. Zu dieser Zeit lebt Littegarde, verwitwete Gräfin Auerstein, auf dem Schlosse ihres Vaters. Obgleich