Aktuelles aus der Staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburg 125 bien und Vögel. Auch verstärkte Störungen in der Landschaft dürften zur sinkenden Reproduktion beitragen, ebenso Auswirkungen des Ausbaus der Windenergie mit direkten und indirekten Folgen für die Art. Die elf in der Staatlichen Vogelschutzwarte dokumentierten Kollisionen(davon fünf in Deutschland) sind überwiegend Zufallsfunde,da es kaum ein Monitoring der Kollisionsopfer im Schreiadlerareal gibt. Zusätzlich tragen sie zu Brutverlusten bei. Eine frühere Populationsmodellierung( b öhneR & l angge mach 2004) hat jedoch gezeigt, dass es in kleinen Populationen wie in Brandenburg auf jeden einzelnen Adler ankommt. Insgesamt ist die zunehmende Erschließung und Veränderung vormals abgelegener, unzerschnittener und unverbauter Lebensräume besorgniserregend, denn der Schreiadler gilt nicht ohne Grund als Repräsentant solcher naturnahen und weitgehend störungsfreien Lebensräume(vgl. l anggemach et al. 2001). Die Vielzahl der Nutzungsansprüche an die Landschaft macht den Schutz des Schreiadlers, einer anspruchsvollen Art mit großem Raumbedarf, immer schwieriger. Sollte die Lebensraumeignung trotz aller Bemühungen des Gegensteuerns weiter abnehmen, stellt sich mittelfristig die Frage, ob es sinnvoll ist, eine Notmaßnahme wie das Jungvogelmanagement aufrechtzuerhalten. Mittel- und langfristiges Ziel kann nur sein,die Population wieder unabhängig von diesem„Tropf“ zu machen, indem die natürliche Reproduktion auf den früheren Wert erhöht wird. Im Zuge des erfolgreichen Wiederansiedlungsprojektes für den Fischadler in Spanien, das Brandenburg von 2004 bis 2012 unterstützte, gab es von spanischer Seite auch„Gegenleistungen“. Dazu gehörten Naturschutzmaßnahmen in Spanien, die auch unseren dort durchziehenden Brutvögeln zugutekommen, sowie einige wissenschaftliche Arbeiten(s. Otis 2012). Die vorerst letzte Arbeit aus dieser Reihe ist nunmehr veröffentlicht worden( c anal et al. 2018). Anlass waren lokale Bestandsrückgänge, die zu der Frage führten, ob in den entsprechenden Gebieten möglicherweise zunehmende touristische Aktivitäten zu Störungen führen, die sich auf Bruterfolg und Bestandstrend auswirken. Dazu wurden brutbiologische Daten der brandenburgischen Fischadlerpopulation aus den Jahren 2002 bis 2009 analysiert. Der Bestand war in diesem Zeitraum insgesamt zunehmend bei wachsendem Anteil von Bruten auf künstlichen Niststrukturen, vor allem Strommasten. Diese kompensieren anscheinend einen Mangel an natürlichen Niststrukturen in Form alter Kiefern. Der Trend zu künstlichen Niststrukturen wird zudem durch einen beständigeren und im Mittel höheren Bruterfolg gegenüber den Baumhorsten gefördert. Auf letzteren sank er vor allem in den letzten Untersuchungsjahren ab, so dass sich die Unterschiede verstärkten. Auf allen Niststrukturen hatten Brutpaare innerhalb von Großschutzgebieten einen besseren Bruterfolg als außerhalb derselben (betrachtet wurden Naturparke und Biosphärenreservate, nicht jedoch der Nationalpark, der zu dieser Zeit kein Brutpaar hatte). Die Abnahme des Erfolges von Baumbruten erfolgte sowohl innerhalb als auch außerhalb dieser Schutzgebiete. Die oben genannten lokalen Bestandsrückgänge in Großschutzgebieten sind demnach kein allgemeingültiger Trend in Brandenburg, und Lösungen von störungsbedingten Problemen müssen auch auf der lokalen Ebene gefunden werden. Allen ehrenamtlichen Horstbetreuern ist für ihr Engagement herzlich zu danken – ohne sie wären solche Auswertungen nicht möglich! Am 23. März 2018 wurde erneut eine Aktualisierung der„Informationen über Einflüsse der Windenergienutzung auf Vögel“ auf die Website der Vogelschutzwarte gestellt(http://www. lfu.brandenburg.de/cms/media.php/lbm1.a.3310. de/vsw_dokwind_voegel.pdf). Sie umfasst nunmehr 116 Seiten und 459 Literaturquellen. Zusammen mit der gesamtdeutschen Datenbank der Kollisionsopfer (http://www.lugv.brandenburg.de/cms/detail.php/ bb1.c.312 579.de) ist diese Faktensammlung die Grundlage der Abstandsempfehlungen der Länderarbeitsgemeinschaft der Vogelschutzwarten für Windkraftanlagen(LAG VSW 2014). Es mangelt nicht an Versuchen, die LAG-Empfehlungen in Frage zu stellen, etwa indem sie als lediglich einer von vielen Fachbeiträgen dargestellt werden( R uss 2016). Fakt ist jedoch, dass diesen Empfehlungen mit der Kollisionsdatenbank und den jetzt wieder aktualisierten „Informationen“ die umfangreichste Datengrundlage hierzulande zugrunde liegt, die nicht nur in Deutschland,sondern auch in anderen europäischen Ländern verwendet wird(zuletzt z. B. R yDell 2017). Bereits bei der letzten Aktualisierung wurden Rufe laut, dass ja damit die Abstandsempfehlungen gar nicht mehr auf dem neusten Stand seien. Bisher haben jedoch alle
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(2017) 24
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125
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