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Krumm topf mul Schimmelreiter.
zeitweilige Bedürfnis des Abschüttelns alltäglicher Sorge zur Stunde kurzen Festjubels, das ist es was ieh für mein Teil als rührend und herzerhebend bei dem in Hede Stehenden mir vergegenwärtige. Manch’ Jahrhundert lang hat weder die römische Kirche, noch der auf sie folgende ernstere Protestantismus, Anstoss an so hannlosen Nachklängen heidnischer Sitte genommen; auch der alte Polizeistaat, nachsichtiger als sein Huf, muss uchtlos an denselben vorübergegangen sein. Unserer nüchternen Gegenwart blieb es Vorbehalten solchen Äussentngen kindlichen Frohsinns mittelst strenger amtlicher Verbote, im schlimmen Sinne des Worts bevormundend, entgegenzutreten. Ob dabei die öffentliche Moral, auf die man sich immer beruft, durch so etwas überhaupt nie sehr in die Enge getrieben, gewonnen habe oder nicht, mögen Klügere als ich es bin, entscheiden. Vor zwei Dezennien noch in vollem Schwange, sind die uns beschäftigenden Mummereien, kraft obrigkeitlichen Einschreitens, seit nun etwu zehn Jahren ganz aus dem Dorfe verschwunden. Anderenorts würde ihre Abstellung vielleicht schwieriger gewesen sein, hier aber sind die einheimischen Leute fügsam und das weniger botmllssige unstllte Gesinde, bunt aus der Fremde zusammengewürfelt, welches jetzt auf den Bauerhöfen dient, weiss nichts mehr von jenen ortsüblichen traditionellen Possen.
Thatsächlich festzustellen ist, dass zur Stunde Schimmelreiter und Brummtopf in die Rumpelkammer abgedankter Hausgötter verwiesen sind. Das wachende Ange des Gesetzes, im Gendarm personillciort, braucht nicht mehr argwöhnisch und hindernd nach ihrem verbotenen Auftreten auszu lugen. Die Akkorde des Brummtopfs aber leben in Berlin fort in der Diminutiv gestalt des allerdings auch hinschwindenden "Wal ddeibe ls“. der früher mit seinem populären Gesumm den Christmarkt durchtönte und auch jetzt noch hie und da zur Weihnachtzeit armen Kindern ein Stückchen Brot verdienen hilft. —