Heft 
(1898) 7
Seite
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Wanderfahrt nach dem städtischen Ritter- und Riesel-Gut Buch.

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Ein eigenartiger Hauch umweht dieses im Tannendickicht verborgene Denkmal, leise rauscht das Wasser der Panke vorüber und erzählt den Buchen und Erlen, die sich über ihre trüben Fluten hinneigen, von der schönen Julie, die einst als Genossin eines Königs mit hohen Ehren bedacht wurde und nun hier in Buch vor dem Altar der Kirche einsam und fast vergessen ruht. Hier am Kenotapbion kann man sich so recht in die Betrachtung der Vergangenheit, in die Wandelbarkeit des irdischen Daseins versenken, und so manches poetisch begabte Gemüt hat hier die Saiten seiner Leier zu ergreifenden Tönen gerührt. Auch der Horaz der Brandenhurgia, unser Vorstandsmitglied Herr Dr. C. Bolle konnte den Einflüsterungen seiner Muse nicht widerstehen und verfasste unter dem Eindruck des Geschauten das nachfolgende stiinmungsreiche Sonett:

Soror optima, amica patriae.

O, dass ein Bild zu zeichnen ich verstände,

Der Rosenknospe gleich, die sanft erschlossen!

Von schönsten Haares blondem Glanz umflossen,

Erscheint es uns an des Jahrhunderts Wende,

Das vor dem unsren schwand und ging zu Ende.

Man hat genannt sie Julia von Vossen,

Die allzu kühnes Werben erst verdrossen.

Am Saum des Purpurs rührten ihre Hände.

Was blieb von ihr? Ein Stein, umrauscht von Bäumen,

Der, liebevoll, das Schlimmste will verschweigen,

An dem wir stille stehn und von ihr träumen,

Die halb den König sich gewann zum Gatten,

Der seltsam absticht von der Andren Reigen,

Verdunkelt durch des grossen Friedrichs Schatten.

C. B.

Poesie und Sage haben sich vielfach mit Julie von Voss beschäftigt. Gleich nach ihrem Tode verbreitete sich das Gerücht, ihre Nebenbuhlerin, die Gräfin Lichtenau, habe sie durch vergiftete Limonade aus dem Wege geräumt, und der König befahl, um diesen falschen Gerüchten ent­gegentreten zu können, die Obduktion der Leiche, wodurch die oben­angegebene Todesursache festgestellt wurde. Das Gerücht von dieser Vergiftung hat sich aber im Volke und besonders im Dorfe Buch er­halten, und man benutzt den Umstand, dass der weiblichen Figur auf dem Kenotaphion ein Finger fehlt, um daran die Sage zu knüpfen, dass hier die Giftphiole ausgemeisselt sei, welche der Erbauer des Denksteins seiner Schwester in die Hand gegeben hatte, um ihren gewaltsamen Tod anzudeuten. Ebenso ist man über die Ruhestätte der schönen Toten

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