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Agathe Laach.
Gebrauch dein Bedürfnis völlig genügten*) von der Umgangssprache Dicht aufgenommen wurden. — Von Haus aus kennt also das Berlinische nur „mir.“ Wenn man trotzdem heute auch zuweilen „mich“ hört, so liegt das natürlich daran, daß der Zuzug von Bevölkerungsmassen, denen „mich“ geläufig war, sowie die Schule nicht ohne Einfluß geblieben sind.
Bei den Wörtern dagegen, bei denen der Dativ auf m, der Akkusativ auf n ausgeht, „dem“ und „den“, „seinem“ und „seinen“ usw., ist scheinbar allein der Akkusativ ei’lialten. Hier ist aber zu beachten, daß wie in vielen Dialekten, so auch im berlinischen Niederdeutsch und auch im Obersächsischen**) schon früh auslautendes in zu n wurde, so daß Dativ und Akkusativ zusammenfielen. Die Reduktion der Kasus auf zwei, Nominativ und Akkusativ, „der“ und „den“, die für das Maskulinum lautgesetzlich war, (denn der Genitiv wurde wie in fast allen Dialekten so auch bei uns aufgegeben und durch Umschreibungen ersetzt, [den Mann sein Hut, oder der Hut von den Mann]) wurde nach diesem Beispiel dann auch im Neutrum und Femininum durchgeführt, wo ja kein lautlicher Zusammenfall hätte eintreten können (mit den Mann = mit die Frau = mit det Kind).
Daß sich in Aussprache und Wortschatz nd. Spuren finden, ist leicht begreiflich, da doch die Berliner noch lange Zeit nach der Übernahme nocli zweisprachig gewesen sein müssen, d. h. je nach Bedarf nd. oder hd. sprachen, ganz abgesehen davon, daß gewisse Massen fraglos noch lange am Nd. festgehalten hatten, selbst nachdem die oberen Schichten es längst aufgegeben hatten.
Kurz angedeutet sei dann hier noch, daß die Fremden, die sich in Berlin niedei'ließen, den Wortschatz nicht völlig unberührt ließen. Auf die französische Bevölkerung z. B., die zeitweise einen nicht unbedeutenden Prozentsatz der Einwohnerschaft ausmachte, gehen neben dem weit verbreiteten „Buddel“ auch Wörter wie „Bi^iike, hotten“***) zurück, auf die jüdischen Mitbürger „meschugge, pleite“ und anderes.
*) Nach Albreclit, die Leipziger Mundart wird „mir“ und „mich“ in Leipzig meist richtig geschieden, während „Sie“ und „Ihnen“ getauscht werden. Wenn in Berlin „Ihn“ (für „Ihnen“) in beiden Fällen gebräuchlich ist, so ist der Grund der, daß durch den frühen Zusammenfall von Dativ und Akkusativ im Nd. (mi, di, en, uns, ju“ hieß es altberlinisch im Dativ wie im Akkusativ) das Unterscheidungsgefühl für Dativ und Akkusativ sehr gering sein konnte. S. auch die folgende Anmerkung.)
** Für das Obersächsische s. Albrecht a. a. O. S. (i3. Für Berlin vgl. auch noch Gesch. der Schriftsprache S. 322 ff., wo diese Verhältnisse näher besprochen und genauer und ausführlicher begründet sind.
*** ' Man wird jedenfalls „hotten“ (gehen als neue französische Ableitung an- sehen und es nicht etwa an älteres „botschuh“ (s. deutsches Wörterbuch II, unter diesem Wort sowie unter „bosz“, Schiller=Lübben, Mnd. Wörterbuch unter „bosse“ _ Denn weder das Substantiv noch das Verb sind mir je im berliner Nd. begegnet. Auch kommen beide, so weit ich unterrichtet bin, in modernen märkischen Dialekten nicht