Heft 
(1912) 20
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Kulturgeschichtliches über den Kaffee.

Vortrag von Elisabeth Lemke (Stz. d. Br. 29. Nov. 1911).

Geehrte Anwesende, es war einmal in Arabien ein armer Derwisch, der nur eine elende Hütte und ein Paar Ziegen besaß. Und das Leben war einförmig für ihn und die Ziegen; ein Tag glich dem andern. Doch nein, zuweilen zeigten die Ziegen eine überraschend frohe Stimmung; sie kehrten munter und ordentlich verjüngt von ihrer Weide zurück und konnten garnicht genug spaßhafte Sprünge und andere Tollheiten ausführen. Der Derwisch dachte allmälich darüber nach und kam endlich auf den Einfall, den Ziegen auf der Wanderung zur Weide zu folgen. Dort mußte doch irgend etwas sein, was so wunderbare Wirkung aus­üben konnte. Zu seinem Erstaunen sah der Derwisch, daß die Thiere sogleich lebhafter wurden, wenn sie von den Blättern, Blüten und Früchten eines bestimmten Strauches (es kann aber auch ein Baum ge­wesen sein) genascht hatten. Da soll er ebenfalls davon genascht und sich recht erquickt gefühlt haben. Aber seine Entdeckung konnte nicht lange geheim bleiben. Sein mitunter sogehobenes Wesen ließ die an­dern Derwische auf den Gedanken kommen, daß der verbotene Genuß des Weines dahinter stecke. So blieb nichts Anderes übrig, als die Zürnenden zu jenem Strauch zu führen, wo sie das belebende Mittel so­gleich an sich selbst versuchen konnten. Dieser Einfall hatte einen glänzenden Erfolg. Die Derwische naschten wie die Ziegen Blätter, Blüten und Früchte und wurden, wie die Ziegen, munter und ordentlich verjüngt. Dann mögen sie über weitere Ausnutzung des Wunderstrauches nachgedacht haben. Aber hier hört die Geschichte auf, und wir erfahren nicht, was alles geschehen mußte, bis man die Früchte als geröstete Kaffeebohnen zerkleinerte und mit heißem Wasser in Verbindung brachte.

Die erste verbürgte Nachricht über das Kaffeetrinken in Arabien stammt aus dem Schluß des 16. Jahrhunderts und ist dem arabischen Schriftsteller Abd el Kader zu verdanken, der aber nur bis zur Mitte des 15, Jahrhunderts zurückgreifen kann. Er erzählt, daß der in Aden (an der Südküste Arabiens) wohnende Mufti Gemal Eddin auf einer Reise nach Persien einige seiner Landsleute traf, die sich von Kaffeebohnen ein Getränk bereiteten, dessen Bekömmlichkeit für die Gesundheit sie

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