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3. (2. ordentliche) Versammlung des IX. Vereinsjahres.
Nach einigen Ausführungen über Mecklenburg, die Altntark, West- und Ost-Preussen fährt Dr. Halb fass fort:
„Einzelne Tiefenangaben von Seen in den östlichen Provinzen Preussens finden sich mehrfach, namentlich in «len Jahrbüchern der kgl. prcussischcn geologischen Landesanstalt, in den Jahresberichten von Fischercivereinen u. s. w. und es mögen noch viel mehr Lotungen hin und wieder unternommen worden sein, aber in ihrer Isolirtheit ist ihr Nutzen ein sehr geringer, ihre Zuverlässigkeit häufig eine sehr problematische. Hierfür stntt vieler nur ein Beispiel.
Im Werbellinsee in der nördlichen Mark hatte ein Herr l’ostverwalter Tiefen von GO—70, ja sogar von 107 Kuss gefunden. Bei Gelegenheit einer geologischen Durchforschung jener Gegend hatte Geh. Itat Behrendt («Die südliche baltische Endmoräne in der Gegend von Joachimsthal“, Jnhrb. der kgl. preuss. geolog. Landesanstalt für 1887, S. 307) sich Uber diesen See auf Grund jener Messungen folgendcrmassen geäussert: „Nimmt man die erwähnte Tiefe von GO—70 Kuss oder Uber 20 m hinzu und bedenkt, dass die Ufer des Werbellin in unmittelbarster Nähe über 30—10 m ansteigen, so ergiebt sich eine Auswaschungsfurche von 50—60 m Tiefe.“ Indem Wahnschaffe in seinem weitverbreiteten Vortrag „Unsere Heimat zur Eiszeit“ die Seetiefc für die gesamte Auswaschungsrinnc einschliesslich clor Uferränder setzt, lässt er S. 27 seines Vortrages die Tiefe des Werbellinsees an einigen Stellen 50—G0 nt betragen und darauf fussend schreibt Sch wahn in Heft 16 „Unser norddeutsches Tiefland“ der populären Schriften, herausgegeben von der Gesellschaft Urania zu Berlin, S. 35: „Als Typus eines Binnensees kann der an einigen Stellen 50—G0 m tiefe Werbellinsee bei Joachimsthal gelten pp.“ Da beide Vorträge mit Hecht eine weite Verbreitung gefunden haben, so kann man sicher sein, dass der Werbellinsee im Handumdrehen nach allgemein geltender Anschauung eine Tiefe von 50—G0 m besitzt, während in Wirklichkeit seine grösste Tiefe nicht Uber die Hälfte hinausgeht. — Die Tiefenkarten einer Reihe wichtiger Seen in Pommern hoffe ich noch im Laufe dieses Jahres herausgeben zu können. Jedenfalls geht aber wohl aus dem Gesagten unzweifelhaft hervor, dass die Zahl der genau ausgeloteten Seen der baltischen Seenzone eine verschwindend kleine gegenüber ihrer Gesamtheit ist, und dass die norddeutschen Binnenseen noch ein weites und dankbares Feld für topographische Aufnahmen bieten, deren Ergebnisse auch flir eine rationelle Seenwirtschaft nicht nur von grossemlnteresse, sondern geradezu bestimmend auf dieselbe einwirken würden.“
Es wäre zu wünschen, dass man dies in den massgebenden Kreisen beherzigte, einen Plan für die geologische und biologische Aufnahme und Erforschung mindestens der grösseren Seen ausarbeitete und die nötigen Kosten dafür von der Regierung erforderte. Hoffentlich nimmt der Nachfolger des Herrn Hauchecorne die Angelegenheit, soweit die geologischen Interessen in Frage kommen, in ernstliche Erwägung; es ist eine der dankbarsten und schönsten Aufgaben; die Ausfüllung der beregten Lücken unserer Kenntnis der heimatlichen Gewässer würde in den weitesten Kreisen freudig begrüsst werden.