15. (7 auäserordl.) Versammlung des 3. Vereinsjahres.
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rungen aller Art den Osten seiner Monarchie in diesem Gewerbe zu derselben Höhe zu bringen, welche in seinen westlichen Provinzen, in Crefeld und Aachen dank einer langen Überlieferung sich entwickelt hatte. Erst neuerdings ist diese Thätigkeit des grossen Königs durch die von der Akademie der Wissenschaften herausgegebenen „Acta Bo- russica“ in vollstem Umfange bekannt geworden.
In diese Blüte griff die harte Hand der Ereignisse 1806 ein; was nicht infolge der Kriegsereignisse zu Grunde ging, vernichteten die Rückwirkungen der Napoleon’schen Kontinentalsperre. Die veränderten Verkehrswege, die Gewerbefreiheit, die Freizügigkeit und andere nationalökonomische Einflüsse, die den Schwerpunkt auch so mancher anderen Industrie verrückten, hielten eine Aufwärtsbewegung in der fricderici- anischen Höhe dauernd zurück. Zwar war Berlin noch vor dem letzten Kriege ein achtunggebietender Fabrikationsort, namentlich schien der Seidenindustrie ein verhältnismässiger Aufschwung gesichert zu sein, doch ging auch sie in den beiden letzten Jahrzehnten wieder so zurück, dass die Befürchtung nahe lag, sie ganz und gar verschwinden zu sehen.
Dieser Entwickelung entgegenzutreten, ist durch die Schöpfung der Berliner Webe-Schule vor 5 Jahren versucht worden. Ob sie das und in welchem Masse sie das erreicht, lässt sich nach dieser kurzen Zeit um so weniger übersehen, als die Textilbranche durch die „Mac-Kinley- Bill“ einen ihrer besten Märkte verlor, und nur langsam gelingt es ihr, sich von diesem Schlage zu erholen und durch neue Absatzgebiete den Verlust zu ersetzen. —
Die Besichtigung musste in zwei Abteilungen erfolgen, weil der Raum zwischen den einzelnen Maschinen ein gar zu beschränkter ist. Einen klaren Einblick in die Technik der Weberei erhielt der Unkundige am besten, wenn er zuerst den eine Treppe hoch gelegenen Handwebe- Saal besuchte; hier tritt uns noch am ehesten das Bild einer traditionellen Weberei entgegen. Maschinen, deren Urahnen einst im fernen Osten gestanden haben, und die in ursprünglichster Schlichtheit noch heute in den Händen persischer und arabischer Stämme Produkte von wunderbarer Schönheit hervorbringen, gab es hier nicht, wenn wir von dem in einem Nebenraume aufgestellten Stuhl für Knüpfarbeit absehen. Die meisten Stühle sind sogenannte Jaquard-Stühle, wie man sie in mehr oder minder vereinfachter Gestalt auch noch in manchem Bauernhaus der Mark findet. An solchen Maschinen wurde die Herstellung von Leinen, Seide, der eigentümlichen Frottierhandtücher-Gewebe, der Ax- minster-Teppiche und anderer erklärt und die Durchschlingung von Kett- und Schussfäden wohl soweit erläutert, dass die Besucher inmitten des „Mechanischen Webe-Saales“, der eine Treppe tiefer liegt, mit seinen chaotischen Rädergewirr nicht mehr ganz fremd waren. Was oben die Hand des Webers verrichtet, wird hier von der Maschine geleistet, deren
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