Heft 
(1896) 4
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8. ( 7 . nusserordl.) Versammlung des IV. Vereinsjahres.

Anfänge dieses Jahrhunderts hat das Vosssche Volksstück einen nicht zu leugnenden kulturhistorischen Wert. Sehr auschaulich schildert z. B. dieTante aus dem Fleischschafen das Lehen und Ti - eibeu in der Stralauer Strasse, durch welche sich die Berliner nach dem Festplatze begaben:

In de Straloerstrasse hättest Du mal sehen sollen; so wat hab ick in meinem Leben nich gesehen! Kopp an Kopp i^ alle Fenstern, Gesicht an Gesicht, noch dazu und obenin voller Menschen als wenn die Straloerstrasset Opernhaus wäre und die Fenstern die Logen! . . An die Straloer Brücke warn Gedränge, des man dachte, sie würden Eenen alles Zeug vom Leibe reissen, und uf die Spree konnte keeu Appel zur Erde vor lauter Schiffe. . . . Un links, grade über die Zucker­siederei, standen Dirne Milljon Stühle, da sassen wieder Leute druf, die wolltens Vorbeifahren mit ansehen. Ick dachte: wat det doch vor Narren sind! Wat sehn se denn daran? Abert andre Jahr will ick mich ochn Stuhl dahin setzen lassen; es muss sich doch recht pläsier- licli da Zusehen!

Sehr ergötzlich ist auch die Schilderung, welche dieselbeTante aus dem FleischscJiarrn ihrer Nichte von ihren Toilette-Sorgen vor dem Besuch des Fischzugs giebt:Ick stellte mir vors Spinde und dachte: wat ziehst du nun an? det gestickte musseline, oder det gingangne, oder det türksche bunte, oder eens von de levantinenen, oder det at- lassne? Nu will ick Dir aber sagen, warum ick keen seidenes angezogen habe. Ich dachte, et wär schade drum, weil mir eener int Gedränge ein Loch rein reissen künde. So ist mir s chons t uf n Fischzug gegangen. Un nu will ich Dir noch sagen, worum ick keen weisset augezogen habe. Ick wollte erseht ufft Schiff fahren, und ufft Schiff kann man sichn weisst Kleed gar zu sehr insauen. Und nu will ick Dir oocli sagen, worum ick ufft Schiff fahren wollte. Weil ick nich uff meinem Wagen raus fahren künde. Ick will Dir ooch sagen worum. Ick habe meinen Wagen nach Hammels un Kälber geschickt. Na, et wurde drüber dann Zwölbe, det ick mich besunt, wat ick anziehen sollte. Un wie ick mich besonnen hatte, zog ick det türksche an. Drüber wurde et denn eens. Nu aber dacht ick: welchen Duell nimmst du um? Den weissen Plein mocht ickt nicht zu leede dun, un der jeele kriegt man Franzen, der grosse rothe ist wohl hübsch, dacht ick,~aberst sie sind nich mehr Mode. I dacht ick endlich, du nimmst den schwarz seidenen Schall mit die Blumen. Nu will ick Dir aber ooch sagen, worum ickn nich umgenommen habe. Glaser Bibbermanns Döchter gingen vorbei, un hatten ooch schwarz seidne. Ne, dacht ick, haben die schwarz seidne, drägst du keenen. Un nu nahm ick dochn weissen.

Die Berliner haben somit fast 70 Jahre, bevor Ernst von Wilden­bruch seineQuitzows schrieb, ihren Dialekt auf der Bühne des könig-