4- (2. ausserordl.) Versammlung des VI. Vereinsjahres.
Sonnabend, den 15. Mai 1897, mittags 12 Uhr
in der Ravene’schen Gemälde-Sammlung, Wallstrasse ö-8.
Die Mitglieder und Gäste der Gesellschaft versammelten sich zm angegebenen Zeit zahlreich in dem von Lude & Höckmann im Übet- gangsstil der Gotliik zur Renaissance aus rotem Rackstein aufgeführten neuen Prachtbau der Firma Ravene, dessen oberstes Stockwerk die Bildergallerie enthält.
Der II. Vorsitzende, Stadtrat Friedei, eröffnete die Versammlung mit der nachfolgenden Ansprache:
„M. D. u. H.! Als ich am 10. Dezember 1801 den wenige Schritte von hier, seitens unseres Mitgliedes, Herrn Kommerzienrat Spimller, der Stadt Berlin gestifteten Monumental-Brunnen*) namens derselben an Ort und Stelle übernahm, brauchte ich in meiner Dankesrede u. a. die W endung, dass Berlin zwar eine hervorragend wohlthätige, aber keine hervorragend kunstfreundliche Stadt sei. Die Summen, welche der städtischen Verwaltung seitens einzelner unserer Mitbürger für W erke der barmherzigen Liebe zur Verfügung gestellt werden, ist, so sagte ich, ausserordentlich gross und braucht Berlin in dieser Beziehung den Vergleich mit keiner Stadt zu scheuen. Auch die Zahl kunstsinniger Personen ist sehr gross, wenn man aber unter kunstfreundlichen diejenigen kunstsinnigen Leute versteht, die entweder aus eigenen Mitteln unmittelbar der Stadt künstlerische oder kunstgewerbliche Werke auf den Strassen und Plätzen unserer Gemeinde stiften oder wenigstens mittelbar das ästhetische Empfinden, die Freude am Schönen und die Liebe zur plastischen Kunst, sowie das volkstümliche Verständnis derselben dadurch fördern, dass sie die in ihren Häusern angesammelten Kunstwerke für jedermann zugänglich machen, so ist die Zahl solcher edlen Gönner in Berlin sehr, ja ich möchte sagen, erschreckend gering, zumal wenn man vergleicht, wie viel derartige Personen in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, in England, in Frankreich, in Italien, in Belgien, in den Niederlanden, in der Schweiz und in anderen Ländern genannt werden können.
Dieser Ausspruch drängt sich uns in dieser gastlichen, den bilden-
*) Modelliert nach dem Entwurf des Baurats Böckmaun und ausgeführt in poliertem schwedischem Granit.
6