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4. (2. ausserordl.) Versammlung des VI. Vereinsjahres.
den Künsten geweihten Kunsthalle, in der von Peter Louis Ravend vor mehr als 50 Jahren angelegten, seither unausgesetzt jedem Gebildeten in der freigiebigsten Weise zugänglichen Gemäldesammlung heut von neuem als richtig und als, Gott sei’s geklagt, noch immer zutreffend auf.
Selbst wenn ich Wilhelm von Humboldts unvergleichliche Schöpfung in Schlösschen Tegel,*) weil in einem Berliner Vorort belegen und vorzugsweise von Berlinern besucht, noch in den Kreis hochherziger kunstfreundlicher Gönner mit einbeziehe, so komme ich docli über wenige Namen nicht hinaus. Da ist die GemäldegaIlerie des Konsul J. H. W. Wagner, welche der Stifter grossmiitig der Königlichen Nationalgallerie vennacht hat (seit 1 HG 1 daselbst), ferner die Gemäldesammlung des Grafen Raczynski, welche im oberen Stock der Nationalgallerie dem Publikum zugänglich ist; neuerdings wird die Gräflich Blankenseesche Gemäldegallefie, Unter den Linden 70, genannt, anscheinend aber wenig benutzt, obwohl sie, wenn auch mit besonderer Erlaubnis, täglich von 12—2 Uhr zugänglich ist. Nehmen wir nun noch die Gallerie Ravene dazu, so ist der kleine Kreis der im eigentlichen Sinne und im grossen Stile kunstfreundlichen Berliner abgeschlossen und das ist, wie gesagt, beschämend wenig.**)
*) Schlösschen Tegel 1822—24 von Schinkel gänzlich umgebaut und von Wilhelm von Humboldt bis zu seinem Tode bewohnt, vererbt nach einander auf seine beiden Töchter Adelheid von Hedemann (| 1856) und Gabriele von Bülow (f 1887), jetzt im Besitz einer Tochter der letzteren, Frau von Heintz. Die Kunstschätze sind zumeist durch Wilhelm von Humboldt gesammelt, Antiken, moderne Bildkauerarbeiten und Gemälde.
**) Dass einzelne Donatoren ab und zu die hiesigen Kunstsammlungen durch einzelne Gaben erfreut haben, soll ja nicht verschwiegen, vielmehr gern und dankbar, zumal angesichts der geringen Ankaufsmittel, die den Museen zur Verfügung stehen, anerkannt werden, allein ein Donator ist noch lange kein Maecenas. Ebenso mag der Kunstsammlung (Bilder, Statuen, Möbel, Kleinkunst) des Herrn Hugo Raussendorff, Kurfürsten-Damm Nr. 91, hier gedacht werden, obwohl sie nicht so unbedingt zugänglich ist, wie die vorgenannten Sammlungen, nämlich erst nach eingeholter Erlaubnis des Sohnes, des Herrn Assessor Dr. Hugo Raussendorff. Vergl. das glänzend ausgestattete „Verzeichnis der Kunstsammlung im Hause Raussendorff, zusammengestellt von Dr. Franz Weinitz,“ Berlin 1895. Die Ansicht des Hauses Raussendorff mit der Devise ,,0hn’ Fleiss, kein Preis“ ist eine Originalradierung von Bernhard Mannfeld. Seite 12 schreibt Dr. Weinitz: „Haus Raussendorff wurde in den Jahren 1889—1891 durch den ausgezeichneten Baumeister Hans Grisebacli erbaut. Im Stile der deutschen Renaissance, in Backstein und schlesischem Sandstein ausgeführt, ragt es mit seinem steilen Dache und den spitzen Türmen, nach deutscher Art mit Schiefer eingedeckt, stattlich empor. Parkähnliche Gartenanlagen umgeben es. Nach Norden hinaus geht im Erdgeschoss ein mächtiges Fenster, es giebt dem Bildersaale — der Gemälde- gallerie ein gleichmässiges ruhiges Licht. Was der Herr des Hauses im alten Berlin nur zerstreut und ungünstig unterbringen konnte, hat hier die rechte Stelle, die richtige Beleuchtung erhalten. Jährlich werden neue Kunstwerke den schon vorhandenen zugesellt, hier ein Gemälde, dort ein Marmorwerk, eine Bronce, ein altertümliches Hausgerät.“