Heft 
(1897) 6
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Die Glockeninschriften von Sternebeck und

Tempelhof.

Studie von K. Altrichter.

Tafel I.

In meiner Eigenschaft als Archivar der Berliner Gesellschaft für Heimatkunde halte ich es in Anlehnung an die Geschäftsanweisung für die Königlichen Staatsarchivare für meine Pflicht, die archivalischen Schätze des mit der gedachten Gesellschaft im Zusammenhänge stehenden Märkischen Provinzial-Museum durch Einzelarbeiten einem grösseren Kreise nutzbar zu machen. Ich habe dies schon seit Jahren gethan, als ich noch nicht den Vorzug hatte, dem Vorstande der Brandenlmrgia anzugehören und mache diese Anmerkung nur deshalb, um auf meine bisher auf diesem Gebiete gelieferten Arbeiten, die nicht ganz unbeachtet geblieben sind, hinzuweisen und damit die Erklärung abzugeben, dass ich in der Entzifferung rätselhafter Inschriften fortfahren werde, obschon es gelehrte Leute giebt, die sich von der Richtigkeit meiner Entzifferungen nicht glauben überzeugen zu können, ohne doch nur eine Andeutung von etwas Besserem oder Richtigerem zu machen im stände zu sein.

Es könnte leicht der Vorwurf einer ausschweifenden Phantasie er­hoben werden, die mich diese oder jene Auslegung finden liess. Aller­dings ist eine starke Phantasie dazu erforderlich, aber nur eine solche, deren Thätigkeit durch strenges Denken geregelt, im gewöhnlichen Leben Ms Kombinationsgabe bezeichnet wird. Abgesehen von mehrfachen anderen Spezialkenntnissen führt in erster Linie die Phantasie insofern z 'i einem Ergebnis bei der Entzifferung einer Inschrift, als sie den Arbeitenden befähigt, seinen Standpunkt um fi und mehr Jahrhunderte zurückzuschrauben und mit den Männern jener Zeit sich in ihrem Denken und Empfinden zu identifizieren. Nur aus diesem heraus, der nach allen Dichtungen dem Jugendlichen in der Entwickelnng eines ganzen Volkes entsprechen muss, wird es möglich, annehmbare Lösungen zu finden.

Die Glocken, deren Inschriften in nachstehendem eine Erklärung finden sollen, hängen in Türmen, die räumlich weit getrennt liegen, der

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