Heft 
(1897) 6
Seite
182
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182 K. Altrichter, Die Glockeninschriften von Sternebeck und Tempelhof.

eine im Nordosten, der andere im Süden Berlins. Dass ich beide In­schriften hier zusammenstelle, geschieht lediglich aus taktischen Rück­sichten, nämlich wegen der Darstellung des Buchstaben E, denn im übrigen besteht weder inhaltlich, noch in der Schriftart der geringste Zusammenhang.

I.

Die Glockeninschrift von Sternebeck.

Herr Gustos Rudolf Buchholz hat in dem Dezemberheft der Branden- burgia von 1896 die beiden Inschriften facsimiliert mitgcteilt. Nach denselben ist die beiliegende Tafel hergestellt, auf der ich zur Erläuterung, um darauf in dieser Arbeit hinweisen zu können, noch weitere Schrift­zeichen und Schriftzeichen-Entwickelungen hinzugefügt habe.

Die Sternebecker Inschrift ist keine sogenannte Sehablonenschrift, sondern stellt sich als eine handschriftliche Leistung dar. Darin Hegt nun aber die Schwierigkeit der Entzifferung, dass die Schriftzeichen nicht durchweg die allgemein gang und gebe gewesene Form zeigen. Eine weitere Schwierigkeit bereiten die Abkürzungen, die nicht selten nur einen Buchstaben für ein Wort geben, zur Zeit ihrer Entstehung wahr­scheinlich allgemein verständlich waren, jetzt aber ein Rätsel darstellen. Man braucht nur eine Handschrift aus dein vorigen Jahrhundert zu lesen zu versuchen und trotz der uns nahestehenden Schriftformen wird nicht selten, namentlich in den Abkürzungen, ein Nachdenken erforderlich werden, um den Wortlaut festzustellen. In meiner Eigenschaft als Hand­schriftenvergleicher lag mir erst kürzlich eine Urkunde aus dem Jahre 1777 vor, über die bezüglich einer Stelle heftiger Streit entstanden war, indem die eine Partei das gerade Gegenteil dabei herauslas von dem, was die andere behauptete.

Auf der beiliegenden Tafel umfasst die eigentliche Glockeninschrift die mit den Ziffern 1 bis 64 bezeiclmeten Buchstaben und Zeichen. Die beiden nächsten Zeilen enthalten Erläuterungen unter den Ziffern 35 bis 46; die in Parenthese gesetzten Ziffern weisen auf die entsprechenden der Inschrift hin.

Wenn man sich nun die vorliegende Inschrift um die Glocke laufend vorstellt, so teilt das verzierte A dieselbe, so dass leicht der Anfang festzustellen ist. Dieses A ist nicht nur anklingend an die Initialen mittelalterlicher Handschriften verziert; die Verzierungen selbst haben eine Bedeutung. Zunächst fällt der Abschluss nach oben auf, der eine stilisierte Flamme darstellt. In solcher wurde von Alters her das Vor­handensein der Erleuchtung durch den heiligen Geist zur Darstellung gebracht. Sie hatte sich im Laufe der Zeit zu einer Feuergarbe aus­gewachsen, wie aus den Bildern der Bibel von Hans Holbein hervor­geht. Aber auch Moses und andere heilige Männer zeigen dieses Symbol 4