K. Altrichter, Die Glockeninschriften von Sternebeck und Tempelhof. 183
auf ihrem Haupte, so dass die Annahme berechtigt ist, dass diese Flamme überhaupt auf die Heiligkeit einer Person hinweist. Das darunter be- bildliche etwas eingeknickte Parallelogramm ist nun nicht etwa eine Art Spruchband, sondern ein zusammengesetztes Schriftzeichen. Die untere Linie stellt den oberen Abschluss des A dar, wie es im früheren Mittel- alter fast durchweg gemacht wurde und darüber ist eine Figur ähnlich wie ein Klammerhaken, wie ihn die Zimmerleute gebrauchen, gemacht. Sie ist in Figur 38 besonders dargestellt. Die Stiftungsurkunde des Magdeburger Domstiftes von 5)411 bringt in seinem am Schlüsse stehenden „Amen“ dasselbe Zeichen als n. Die offizielle Schrift bediente sich in der Diplomatik für n und m nur eines einfachen Striches, den man über den diesen Schriftzeichen vorangehenden Buchstaben setzte; diesen Gebrauch hat man missverständlicher Weise bis in die Gegenwart in so fern beibehalten, als man die Doppel-m und n durch die einfachen Buchstaben mit einem Strich darüber darstellt. Jetzt kann man, da der Strich schliesslich nur als Verdoppelungszeichen galt, in dem vorgeschrittenen Berlin sogar die Wahrnehmung machen, dass z. B. das doppelte a auf Firmenschildern durch a und einen Strich darüber geschrieben wird: „Wären“, statt „Waaren“.
Hiernach wäre im vorliegenden Falle Figur 1 als An mit dem Zeichen der Heiligkeit zu lesen. Da nun vielfach Glocken auf den Namen der heiligen Anna getauft wurden, so kann kein Zweifel darüber obwalten, dass der Name der heiligen Anna damit gemeint war, sodass „Sancta Anna“ als Name der Glocke zu lesen ist.
Wenn man zunächst die Zeichen '2 und 3 übergeht, so findet sich in 4, 5, (i zweifelsohne die Abkürzung für „voco“, mithin „Ich, die heilige Anna, rufe . . .“ Es liegt wohl auf der Hand, dass in so arg abgekürzten Wörtern, wie sie mir in ähnlichen Inschriften schon öfter vorgekommen sind, das Objekt nicht allzuweit vom Subjekt und Prädikat entfernt stehen darf, weil es sich verlieren und die Lesbarkeit unmöglich machen würde. Deshalb linde ich in 2, 3 das Objekt und lese a. f. als ngmen fidelium, „die Schaar der Gläubigen.“
Die Bedeutung des Folgenden folgt beinah von selbst aus der Bestimmung der Glocke in Verbindung mit dem eben erläuterten Eingang fler Inschrift: Es folgen a. d. d. d. i. i. In diesen Zeichen machen sich doch einige Unterschiede bemerkbar, die ich nicht auf Zufall, sondern auf eine wohl überlegte Absicht zurückführen möchte. Ich fange von hinten an. Das dii ist in der Diplomatik die gebräuchliche Abkürzung für „domini“. Dieser Begriff in diesem Casus könnte sehr wohl in einer Glockeninschrift vertreten sein, w’enn nicht das zweite i erkennbar von dem ersten dadurch ab wiche, dass seine Spitze gegabelt Jst und diese Gabelung auf das griechische Kreuz hinwiese. Es wird diesem i unbedingt eine höhere Bedeutung beizumessen sein, als die einer
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