Heft 
(1897) 6
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17. (7. ordentl.) Versammlung des VI. Vereinsjahres.

Zum Beschluss der im Volksglauben eine grosse Rolle spielenden figurirten Steine, um einen beliebten Ausdruck der alten Geologen zu gebrauchen, seien dieNaturspiele, die lusus naturae d. li. die­jenigen Steine erwähnt, bei denen der alte Steinkundige der Ansicht war, dass die Natur sie, um sich selbst zu vergnügen, gewissermassen zu ihrer Unterhaltung geschahen habe. Dergleichen Steine dienten in vorgeschichtlicher Zeit als Idole wie z. B. die pilzförmigen und sonstigen phantastischen Auswitterungen von Geschieben der Gneis-, Glimmer­schiefer- und Granit-Formation pp., wie ich ein solches Auswitterungs­produkt von KurlandBrandenburgia VI, 344 erwähnt habe. Dergl. seltsame Steinbildungen, durch chemische Auswitterung oder mechanischen \\ ind-Sandschlilf hergestellt, wurden später, namentlich n enn sie nicht zu gross, vielmehr handlich -sind, auch in der Provinz Brandenburg nicht selten als Amulette und Talisman angesehen. Noch jetzt sammelt man sie gern, stellt die grossen in Gürten und die kleinen wie Nippes auf Bördeni, Schränken, Kommoden u. s. f. auf.

Bin .Beispiel davon A. I. 6:220 (vergl. die Abbild, in ca. 1 j 3 der Grösse) lege ich vor; der aus Kalk gebildete in einer Kiesgrube bei Eberswalde gefundene Stein hat allerdings eine auffallende Ähnlichkeit mit einem Ilülmerkopf. Unwissende, auch unter den Gebildeten, haben häufig eine kindliche Freude an ähnlichen zufälligen Bildungen und lassen sich mitunter JgibjM garnicht davon abbringen, darin wirkliche Petrefakten, ver- steinerte Vogelköpfe, Schlangen, Kröten, Füsse, Finger,

Herzen u. dgl. zu sehen. Auch dies gehört zu dem krassen, geradezu unausrottbaren Aberglauben. Dem Märkischen Museum sind eine Menge dergleichen Lusus naturae zugetragen, mitunter auch für hohe Preise zum Ankauf angeboten worden*)

i) Vgl. u. A. Job. Friedr. Zöllner: Reise durch Pommern nach der Insel Rügen und einem Theile des Herzogthums Mecklenburg im Jahre 1795 Berlin 1797, S. 407:Ohne zu bedenken, dass wir allenthalben im Kies- sande mitten auf dem festen Lande runde und glattgeschliffene Steine von alleilei Farben, auch wol von sonderbaren Gestalten linden, hielt man es für etwas wunder­volles, dass diese Steine so bunt und manche darunter einer Mandel, einem Ei, einem Vogelkopfe u. s. w. ähnlich wären. Dann und wann mochte auch wol, so lange hier noch Cabinettsstücke gesucht und theuer bezahlt wurden, ein Betrüger, oder ein Spassinacher der Natur ein wenig nachhelfen, um recht etwas Sonderbares auszubieten So ward im Jahr 1701 ein Stein in Form eines Herzens nach Danzig geschickt, au welchem ganz deutlich: vivant Gedanenses [es leben die Danziger] stand, und der so wie er war, hier (am Ileiligendamm bei Doberan) gefunden sein sollte. Der Rector Wend zu Thorn schrieb über diesen Stein eine Dissertation, worin er ihn doch für ein Kunstwerk erklärte. Vor ca, 40 Jahren fand ich auf Rügen drei Gastwirte, die auf dergleichen Weise unermüdlich beflissen waren, ihre Gäste zu unterhalten und zu nasführen: den Gastwirt Sehepier in Sagard, Besitzer der berühmten verstemer en Nonnen-Herzen, den alten Schilling auf Leuchtturm Arkona mit versteinerten