Heft 
(1903) 12
Seite
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3. (1. ordentliche) Versammlung des XII. Vereinsjahres.

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liogaesen, den 6. April 1903.

Sehr verehrter Herr Geheimer Kat!

Mit verbindlichstem Danke habe ich die beiden Hefte derBranden- burgia erhalten und mit grossem Interesse die darin enthaltene Abhandlung Uber den hiesigen sogen.Runenstein gelesen.

Am meisten spricht mich die Deutung des Herrn Karl Altrichter an. Wenn darin auch Manches erscheint, dem man schwer und nur mit Kopf­schütteln folgen möchte, so trifft doch anderes mit Tatsächlichem zusammen.

Es ist bekannt, dass die Kirchen der Umgegend vom Kloster Jerichow aus gebaut wurden. Prämonstratenser waren die Insassen des Klosters, welche die Baukunst aus Frankreich mitgebracht hatten. Eine der drei Glocken im Turm ist eine sehr alte in Birnenform mit sogen. Spiegelinschrift in grossen Majuskeln (0 rex Christe veni cum pace), welche von Sachkennern aus dem 12. Jahrhundert stammend beurteilt wird. Der Bau ist ein sehr kunstgerecht ausgeführter; aus quadratisch behauenen Granitstücken sind die Ecken der Kirche und des Turmes hochgeführt; eben so sind die niedrigen Türme und Fenster oben gewölbt aus kunstgerecht behauenen Granitsteinen. Dass ein solcher Bau 10 Jahre in Anspruch genommen haben kann, namentlich in damaliger Zeit mit den geringsten Ilülfsmitteln ist mir garnicht zweifelhaft. Darin stimme ich Herrn Altricher und nicht Herrn Mielke bei, der die Bau­art der hiesigen Kirche unterschätzt. Sie ist jedenfalls nicht von Kleinhand­werkern, sondern von durchaus sachverständigen Steinmetzen und Bau­kundigen im rein romanischen Stiel erbaut. Leider ist dieser Charakter durch viele Veränderungen an dem Turm, an den Fenstern, und durch Anbaue verändert, aber noch deutlich zu erkennen. Die Kirche des/ 4 Meile entfernt gelegenen Dorfes Viesen ist offenbar ein Ebenbild der Rogaesener Kirche, aber genau erhalten in ihrem rein romanischen Stiele. Ich bemerke hierbei gleich, dass vor dem Kirchhofe dieses Dorfes ebenfalls ein grosser Granitstein lag. In der Vermutung, dass dieser auf der Kehrseite ebenfalls eine Inschrift enthalten könnte, setzte ich mich in den Besitz desselben, fand jedoch nichts als der Stein umgekehrt wurde. Wenn derselbe eine Inseln-ift enthalten hat, so würd dieselbe im Laufe der Jahrhunderte ver­wittert sein, da sie nicht durch das Umsinken des Steines, wie in Rogaesen geschützt war.

Was nun die aufgeworfene Deutung der Inschrift als Hausmarken betrifft, so habe ich festgestellt, dass jede Bauern-Hofstelle hier ihre Haus­und Viehmarken hatte, die die älteren Leute noch kannten, wenn sie auch seit längerer Zeit nicht mehr im Gebrauch sind, auch kein Gerät mit solchen Zeichen versehen noch vorhanden ist.

Ich habe sie soweit sie noch nicht bekannt waren in beifolgendem kleinen Heft aufzeichnen lassen, und stelle ergebenst anheim, darauf hin weitere Forschungen durch Vergleiche anstellen zu lassen.

Gleichzeitig füge ich eine vergrösserte Photographie des Steines bei. Eine vorherige Bezeichnung der Schrift durch rote oder weisse Farbe habe ich beanstandet, da durch die Verwitterung manches nicht mehr ganz klar ist, und durch ein Nachziehen der Zeichen mit Farbe doch Irrtiimer ent­stehen könnten, die verhängnisvoll werden könnten.