Die Mäuse am Denkmal der h. Gertrud.
Von E. Lemke.
Geehrte Anwesende, auch die Mäuse gehören in unsere Gesellschaft, indem sie auch in der Mark Brandenburg ein nicht zu bestreitendes Heimatsrecht haben. Sie werden im Lande geboren und erzogen — zu allem, was ihr Broderwerb und ihre vieltausendjährigen Familienüberlieferungen verlangen. Sie denken nicht ans Auswandern, obgleich ihre uns bewiesene Teilnahme (an Hab’ und Gut) nicht nur nicht erwidert, sondern aufs empfindlichste abgelehnt wird; wo man eine Maus erwischen kann, wird ihr der Garaus gemacht. Dem stattlichen Mäusegeschlecht tut das keinen Eintrag. Immer neue Scharen rücken heran, ausgestattet mit den ererbten Vorzügen Schlauheit und Dreistigkeit, welch’ letztere uns veranlassen, zu einem ähnlich begabten Menschen zu sagen: mach’ dich nur nicht so mausig!
Aber es ist ohne den Willen der Mäuse geschehen, dass sie durch ein Standbild vor aller Welt prahlen können, d. h., dass sie in Berlin auf dem Denkmal der h. Gertrud zur Darstellung kamen.
Professor Rudolf Siemering, der diese ansprechende (auf der Gertraudtenbrücke aufgestellte) Bronze-Gruppe geschaffen hat, gab damit ein vortreffliches Gesamtbild dessen, was — an sich von einander getrennt — in den gemeinsamen Beziehungen zur h. Gertrud an einanderrückt, denn diese Heilige hat durch die dichtende Volksseele verschiedene Werte erhalten, die je nachdem im Seelen- und Marenmythus, bei Elben und Valkyrien auftreten.
Gertrud, Tochter Pipins von Landen, 626 geboren und, als Äbtissin des fränkischen Klosters Nivelles, 659 (also bereits im Alter von 33 Jahren) gestorben, hat sich durch viele Tugenden ausgezeichnet. Man lobte ihre barmherzige Güte, ihre Liebe zu Feld- und Gartenarbeiten und vor allem ihren reinen, hohen und frommen Sinn. Die Lilien auf dem Denkmal können für diese Reinheit und zugleich für die Freude am Gärtnerischen zeugen. Die barmherzige Güte ist durch den erquickenden Trunk versinnbildlicht, der dem jungen Wanderer zu
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