Die rote Farbe.
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Mänteln der römischen Senatoren rührt es her, daß noch im heutigen Rom die Kardinalswürde und die Bezeichnung „mit dem Purpur bekleidet werden“ zusammenfallen. [Übrigens berichteten s. Z. die Zeitungen eingehend: die Leiche Papst Leo XIII. sei mit rotseidenem Schleier bedeckt in den mit rotem Sammet ausgeschlagenen Sarg gelegt worden; neben sich drei rotseidene Börsen; ausser dem goldverzierten Ornat von roter Farbe, erhielt die Leiche auch rote Sandalen an die Füße und ein rotes, goldverbrämtes Bahrtuch.] — Mit rotgefärbten Segeln fuhr Beiisar nach Karthago. — Die byzantinischen Kaiser haben ausschließlich mit roter Tinte geschrieben. Der einstige rotseidene Krönungsmantel des Deutschen Kaisers soll arabischen Ursprungs gewesen sein. Rotes Tuch kam u. a. in der Kirche zu großartiger Verwendung. Hartnäckig behauptete sich die Meinung über aufgefundenes Märtyrerblut, was die Wertschätzung des roten Tuches noch erhöhte. — Nach der Meinung des Olaus Magnus verehrten die Nordländer ein an eine Lanze genageltes rotes Tuch göttlich. — Die indische Priesterschaft betrachtet den Besitz von rotem Tuche als ihr Vorrecht; und Manus Gesetzbuch verbietet dem Brahmanen, wenn dieser aus Dürftigkeit Handel treiben muß, den Verkauf von roten Tüchern. — [Nach alledem dürfen wir uns nicht wundern], daß jenes Scharlachtuch, mit dem in Frankfurt bei Kaiserkrönungen die Straße belegt wurde, heilkräftig war. Wenn der gekrönte Kaiser zum Rathaus zurückgegangen war, gab man das rote Tuch dem Volke preis.')
Die volkstümliche Bezeichnung „Roter Rock“ für einen Verräter ist dahin gedeutet worden, daß ein solcher Mensch verbrannt werden müsse. [Wieder eine Beziehung zwischen Feuer und roter Farbe.] Man hat bei jener Erklärung auf Herakles verzehrendes Sonnengewand hingewiesen. 2 )
Das Rot, besonders das rote Haar, wurde häufig die Farbe des Verräters, seit man Thor-Donar (der rotes Haar und roten Bart hatte) in den Teufel der Feuerhölle hatte verwandeln müssen.
Dem Worte „Gott schuf die Menschen nach seinem Bilde“ ist jenes „die Menschen schufen sich die Götter nach ihrem Bilde“ entgegenzuhalten. Thor-Donar, der mächtige Germanengott, mußte eben auch die rötliche oder goldige Haarfarbe der Germanen haben. „Rotbärtig oder Rotbart hieß ihn Freund und Feind.» 3 )
Interessant ist Sven Nilsons Mitteilung, nach der im Innern Rußlands mehrere finnische Stämme leben sollen, von denen einige — [wer kann sagen, wie sie dazu gekommen sind!] — Gott „Thor“ nennen.
’) E. L. Kochholz, I, S. 2261
2 ) 0. H.-A. R., S. 504.
3 ) Sven Nilson (übers, v. J. Mestorf), Das Steinalter oder die Ureinwohner des skandinavischen Nordens. S. 170.