Heft 
(1908) 17
Seite
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Elisabeth Lemke.

Blutsbrüderschaft ist etwas Vielversprechendes, Einigkeit Gebieten­des, aber der Streit ist wohl nicht aus unsrer Welt zu schaffen. Auch der Krieg ist vorläufig nicht abzusehen. Aus dem Zusammen­hang mit Krieg und Blut stammen nicht nur die fürchterlichen Bema­lungen des Körpers mit roter Farbe, wie dies die Wilden lieben, sondern wohl auch durch Spartaner (die sogar im roten Krigskleide bestattet wurden) 1 , Römer usvv. veranlaßt unser Militärrot, sowie im An­schlüsse an letzteres das (Samariterdienste ankündende)Rote Kreuz (im weißen Felde).

In meiner ostpreußischen Heimat hörte ich einmal unbemerkt dem Gespräche zweier Dorf-Frauen zu, die abwechselnd durch eine rote Fensterscheibe ins Freie blickten.Ach du, sagte die eine,so siehts im Krieg aus. Und die andere rief entsetzt:Ach mein Göttchen, mein Göttchen! Es ist ja alles wie mit Blut begossen; auch die Bäum, auch der Himmel. Ach du großes Göttchen!

Der Mann mit den roten Händen ist in Amerika der, der eine Bluttat begangen hat. Andererseits schildert schon Jesaias (63, 1 2) einen Richter als rotgekleidet.Wer ist der, so von Eden kommt, mit rötlichen Kleidern von Bazza? Warum ist dein Gewand so rot- farben?Rotmantel wird der Scharfrichter oder Henker genannt. 2 )

Der Richter und der Henker sind in den Dienst der Wahrheit gestellt. Das Suchen der Wahrheit geschah einst auf sonderbare Weise: aus rinnendem Opferblut wurde die Zukunft gedeutet. Die Kimbern ließen ihre Priesterinnen aus dem Blute der geopferten Kriegsgefangenen weissagen. 3 )

Die Sitte derRothäute, d. h. der Indianer, sich bei besonderen Anlässen rot anzumalen, war auch dem altnordischen Krieger eigen, der hochgeschminkt zur Schlacht ging. In der Triumpffahrt des Camillns beschreibt Livius das Sonnengespann und zugleich das mit Mennig bemalte Gesicht des Siegers. Götter-Statuen wurden an Festtagen rot geschmückt. [Lupercus oder Pan, der Gott der Hirten und Herden, er­hielt ein rotbemaltes Gesicht.] 4 ) Weil solches Schminken auch dem Zeus in Arkadien u.s.w., sowie dem capitolinischen Jupiter zu teil wurde, ging die rote Farbe auf Priester, Cäsaren und Feldherren über. [Die Fasces oder Rutenbündel, das symbolische Zeichen der altrömischen Amtsgewalt, wurden durch rote Riemen zusammengehalten.] Schon seit Marius trug die römische Reiterei rote Standarten; und von den roten

*) Wilhelm Schwartz, Von altgriech. Todtenbestattung. (Z. f. Ethn. 1877, S. 285.)

4 ) Herrn an Schräder, Das Bot in sprachlichen Bildern und Gleichnissen. (Zeitschr. f. deutsche Sprache; Jahrg. VIII, Heft 8, S. 288 u. 285.)

s ) Karl Weinhold, S. 55.

4 ) Nösselt-Freytag, S. 137.