OTTO KLINGNKR
Das Internat der Goethe-Oberschule in Perleberg
Schon seit langem sind die verantwortlichen Schulmänner und Stadtväter davon überzeugt, daß die Perleberger Oberschule ein Internat haben müsse; denn fast die Hälfte der Schüler stellt das Land. Aus allen Dörfern rings um Perleberg kommen sie Morgen für Morgen entweder mit der Bahn oder mit dem Rad. Das sind die sogenannten Fahrschüler, von denen man nicht ohne ein Gefühl des Bedauerns sprechen kann. Wenn der Städter noch im tiefsten Schlaf liegt, rasselt für den Fahrschüler der Wecker. Vielleicht hat es geschneit über Nacht, ein eisiger Ost fegt den Schnee zu Wehen zusammen, und 15 Kilometer sind zu bewältigen. Klamm und durchgefroren kommt er in der Schule an, und er hat schon eine Leistung vollbracht, ehe die beginnt, um derentwillen er die Strapazen auf sich genommen hat. Und die Bahnfahrer sind nicht viel besser dran, sie kommen oft erst am späten Nachmittag heim und beginnen mit ihren Schularbeiten, wenn der Städter ins Kino geht.
Zwar gab und gibt es Pensionen, und in vielen Fällen waren die Schüler dort nicht schlecht untergebracht, sie wurden gut versorgt, und manche Pensionsmutter ließ es sich nicht nehmen, ihre Schutzbefohlenen zu umgänglichen Menschen zu erziehen; aber in nicht wenigen Fällen stand es schlecht um diese Erziehung: Es ging hoch her, und die Jungen tanzten ihrer Pensionsmutter auf der Nase herum. Zudem kostete der Aufenthalt in einer Pension viel Geld, und nur den Begüterten war es möglich, ihre Kinder in die Stadt zu geben. Wir aber wollen vornehmlich den Kindern der Arbeiter und werktätigen Bauern die bestmögliche Ausbildung zukommen lassen. Für diese Kinder mußte ein Internat geschaffen werden. Das war nach 1945 eine der vordringlichsten Aufgaben einer verantwortungsbewußten Schulleitung. Sie zu lösen, hatte sich schon Herr Direktor Mittag mit seiner nie erlahmenden Tatkraft bemüht. Wenn Herr Direktor Schmidt, nicht weniger beharrlich suchend und von den Vertretern der Stadt nachdrücklich unterstützt, erst jetzt eine befriedigende Lösung gefunden hat, so sind die Gründe in der Raumnot zu suchen, an der wir infolge des Krieges leiden, in der Schwierigkeit, ein geeignetes Haus zu finden. Als die Sowjetarmee im Juli 1956 das Haus Wittenberger Straße 11 zur Verfügung stellte, griff der Rat der Stadt zu. Aus Investmitteln stellte
130