Heft 
(1957) 6
Seite
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WILL ANDERS, KYRITZ

35te ftrattgofen in

Schulze-Kersten zum Gedächtnis

Fortsetzung

Als der Wagen, auf dem die beiden Verurteilten, Schulze und Kersten, die beiden Kutscher Kohse und Balzer sowie zwei nassauische Soldaten saßen, auf demdie Teichstücken genannten Acker vor dem Hamburger Tore der Stadt Kyritz angekommen war, stand das Exekutionskommando schon bereit. Den Verurteilten wurde noch einmal ein kurzer Auszug aus dem Urteil vorgelesen, dieses Mal wahrscheinlich in deutscher Sprache. Dann wurden ihnen die Augen verbunden, und sie mußten niederknien. Man erzählt, daß sich der Bäckermeister Balzer dem Offizier vor die Füße geworfen habe und sein ganzes Vermögen geboten hätte, wenn man die unschuldig Verurteilten am Leben ließe. Das war natürlich vergebens, der Hauptmann hatte nichts zu entscheiden, sondern nur Befehle auszuführen, selbst das Sondergericht war sicherlich schon mit dem Befehl nach Kyritz gekommen, einExempel zu statuieren und zwei Kyritzer Bürger zum Tode zu verurteilen.

Dann ertönte aus deutschem Munde das KommandoGebt Feuer, denn Deutsche waren die Schützen wie die Opfer, die Auftraggeber und die Kugeln aber waren französisch.

Kersten wurde durch die Schüsse sogleich getötet, der arme Schulze hin­gegen bewegte sich noch. Ein Nassau-Usinger trat an ihn heran, schoß ihm ins Herz und soll die Worte gesprochen haben:Aus Liebe, du unschuldiges Blut, will ich dir zum Tode helfen.

Als sich am Morgen das Gerücht von der Bluttat in der Stadt verbreitete, schickte der Postmeister sogleich einen Wagen, der die Leichen abholen sollte. Französische Dragoner verhinderten das jedoch und schickten den Wagen zurück. Die Leichen wurden ohne Sarg am Ort der Erschießung begraben, jede Ausschmückung der Grabstelle wurde verhindert und den Angehörigen das Tragen von Trauerkleidung untersagt. Dieser Justizmord sollte so schnell wie möglich vergessen werden. Daß dies nicht geschah, ist das Verdienst des Oberpredigers Dr. Bauer, der 1845 alle noch erreichbaren

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