WALTER BREDTHAUER, BERGE
Gedanken zum Schulneubau Berge
Vor mir liegt eine alte Akte, schon vergilbt vom langen Lagern in einer vergessenen Ecke des Bodens. Sie stammt vom 16. April 1811. Da schreibt der Pfarrer und Ortsschulvorsteher Kirchner zu Berge an den Herrn Superintendenten: „Das Lehr- und Wohnzimmer in Gr. Berge ist von solch beschränktem Raume, daß der Schullehrer bei offener Türe seinen Platz auf der Türschwelle nehmen mußte und die Kinder zusammengeschoben sitzen mußten. In nächstvergangenen Herbst ist die Besichtigung des Schulhauses vom Herrn Patron und den Gemeinden geschehen und beschlossen worden, in diesem Frühjahr ein Lehrzimmer in dem Haus zu errichten. Ich habe den Herrn Major von Winterfeld auf Karwe schon zum öfteren erinnert, das wenige Holz, das zum Bau erforderlich ist, zu liefern, aber es ist bis jetzt vergebens gewesen.“ So sah es einmal aus in Berge, Bresch, Neuhausen und auf dem Lande weit und breit. Lehr- und Wohnzimmer waren eins, nahmen noch Webstuhl, Spinnrad und den offenen Herd mit seinem Schwibbogen in sich auf. „Zusammengedrängt in der Wohn- und Lehrstube wird der tätige Geist durch die Ausdünstungen der Familie und Schulkinder, auch zuweilen des jungen Viehs, in dem so engen Raume niedergedrückt“, heißt es bei der Visitation des Schullehrers Jährling in Klesste. Wenn der Staat und der adlige Patron so wenig für die Schule übrig hatten, was sollte man dann von der Gemeinde erwarten, die ihrem Lehrer Landnutzung und Weidehütung streitig machte. Damit konnte man nicht der „guten Sache“ dienen, zu der sich 1812 von Winterfeld konventionell bereiterklärte. Damit gemeint war die gute Sache der Volksbildung, aber im März 1814 wird über ihn berichtet: „Vom Patron ist keine Spur zu finden“. So mußte der Lehrer zum Büttel seiner Gemeinde werden und sein Schulbetrieb zum gehaßten Fremdkörper, der den Bauern die Hütejungen und familieneigenen Arbeitskräfte entzog. Der „guten Sache dienen“, wie schön hört sich das an, wenn der Lebensunterhalt nicht ausreicht, wenn er die niedrigsten Küsterdienste leisten muß, wenn er sich durch Begräbnissingen und nebenamtliches Schneiderhandwerk das tägliche Brot erst verdienen muß. War das eines Schulmeisters würdig, wenn aus Mangel an Vorbildung er selbst kaum redinen und schreiben konnte? Und das war so. Unser lieber Friedrich Nehlsen, der als Schneidergeselle
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