Heft 
(1929) 1
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Wunderbare Weissagung eines Kindleins bei Schmolde im Jahre 1SS7.

Schon in den ältesten schriftlichen Aufzeichnungen der Menschen

treffen wir den Glauben an, das; Erscheinungen, die von der Norm der Natur abweichen, von der Gottheit veranlaßt werden, damit den Menschen der göttliche Wille knndgetan werde. In den ältesten Dichtungen der Griechen, den Gesängen Homers, die vor über 2500 Jahren entstanden sind, wird den Mißgeburten in der Tierwelt, dem Donner bei heiterem Himmel, sogar dem Traum eine besondere Bedeutung beigemessen. Die Götter wollen durch solche Wunderzeichen den Menschen einen Blick in die Zukunft ermöglichen. Die große Masse erkennt die Bedeutung nicht, sie holt sich die Erklärung bei den hochan­gesehenen Zeichendeutern. Teiresias ist ihr würdigster Vertreter, er hat seinen Namen von den terata-Wunderzeichen.

Dieser Glaube hat bis heute ununterbrochen in der Mensch­heit fortgelebt. Das Christentum hat ihn zum Aberglauben gestempelt, aber nicht ausrotten können; auch in unserm von der Naturwissenschaft aufgeklärten Zeitalter ist er noch nicht tot.

Das leidenschaftlich erregte 16. Jahrhundert glaubte gern den Wnndergeschichten, Luther selbst hat sich an der Deutung auffallender Naturerscheinungen lebhaft beteiligt, der noch junge Buchdruck und der Holzschnitt stellten ihre Dienste willig zur Verfügung. Und das Volk, das genau so wie heute brennend gern etwas Neues und Absonderliches hörte, aber weder Zei­tungen noch illustrierte Zeitschriften kannte, griff begierig nach den Flugblättern, die im 16. Jahrhundert in großen Massen hergestellt wurden und anschaulich von allem Neuen berichteten. Solche Blätter, deren Text meist durch kolorierte Holzschnitte in seiner Wirkung erhöht wurde, erzielten oft erstaunlich große Auflagen. Aber es war Tagesware; die billigen Papierblätter haben keine lange Lebensdauer gehabt.

Von Dr. Stein, Neuruppin.