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Doch lebte in Zürich ein Sonderling: Johann Jakob Will, er hatte einen lebhaften Sinn für alle Kuriositäten, er sammelte mit großem Eifer, was er nur von solchen Flugblättern erraffen konnte.
Und seine Sammlung ist vollständig erhalten, sie ruht in über 20 Bänden in der Zentralbibliothek zu Zürich. Wenige dieser Blätter waren bisher veröffentlicht, doch hat vor wenigen Jahren Hans Fehr*) eine größere Anzahl reproduziert.
Unter diesen Proben finden wir ein Blatt, das sich aus ein wunderbares Ereignis in der Mark bezieht. In dem Dorf Schmolde in der Ostprignitz spielt die Geschichte, ist aber, wie durch Nachfrage festgestellt wurde, dort vergessen. Auch dieses Blatt ist illustriert. In den Aesten eines Baumes sieht man ein kleines Kind sitzen, das einem vorbeigehenden Mann mit einem Stab den Hut vom Kopf stößt. Darunter — die primitive Volkskunst jener Zeit stellt Dinge, die sich zeitlich nacheinander abspielen, unbekümmert ans einem Blatte nebeneinander dar — sieht man denselben Mann mit lebhafter Gebärde zu einem Fuhrmann sprechen, der ihm mit einem Mistwagen entgegenkommt: Der erläuternde Text aber lautet:
Ich bin etliche tag bei) dem edlen und Vesten junckern Joachin Rören (Joachim v. Rohr), erbgesessen zu Schmolder, in der Mark gelegen lSchmolde bei Meyenburg in der Ostprignitz) gewest, hat derselbig edelman an mich thun begercn, das ich mit seinen banren soll in den Wald gähn und bestellen, das sie im sein arbeit rechtschaffen sollen vollbringen, wie die gewohn- heit ist das der edelleut vögt solches bestellen. In dem als ich widernmb ans; dem Wald gähn wolle, sitze ich ein kindlein aus einer standen oder stammen sitzen, welches angesicht so lieblich anzusehen was, war brauner Färb und hat ein weiß Hemdlein an, einen kalen kopff, darauff es gantz und gar kein haar hatte, aber es hatte haar ans der brust. Diß kind fieng an also mit mir zu reden: Mennlein, wa wiltn hin? thn dein spieß von dir, dan wir wöllen nicht fechten. Als ich mich nun fürchtet, Hab ich vor forcht kein antwort geben können, hat es meinen Hut mit einem stab, den es in der Hand hat, abgestoßen und mich bey an heissen stehn bleiben; dan es hatte weiter mit mir zu reden und hat gesagt: Förch dich nicht, ich will dir kein leid tun. Ich Hab dein lang gewartet, biß du nur zuhanden sehest kornmen, und du bist der dein ichs airzeigen wil,
*) Hans Fehr, Massenkunst im 16. Jahrhundert, Berlin (Stubenrauch) 1624.