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Weib, Anna Hoyern. Das Urteil bestand hierin. Nachdem beyderseits beleidigte Ehegatten vor ihre ungetreuen Ehegatten gebethen und ihnen ihr Verbrechen vergeben, auch fernerhin ehelich mit ihnen zu leben, gerichtlich sich erbothen, wurden beyde, die in dem Urtheil des Kopfes verlustig erkläret worden, in honorem matrimonii in soweit pardonnieret, daß jener der Ehebrecher zu einjährigem Festungs-Bau nach Spandow, diese aber zur ewigen Landesverweisung condemniret wurde, daher auch die letztere auf des Schärfs-Richters Schwerd die Uhrfehde deshalb abschwören mußte, und wurde darauf alsofort durch den Schärfs-Richter verwiesen, jener aber etliche Tage nachher nach Spandow geliefert."
Soweit Lüderwald. Interessant an dem Bericht ist vor allem, daß das Urteil auf dem Platz vor des Stiftshauptmanns Haus (dem heutigen Schulhause) verkündet wurde. Es erhebt sich die Frage: war dies auch der Platz für den Pranger? Und wo fanden die Hinrichtungen statt? Möglich ist ja auch, daß der Pranger sich neben dem Richterhause befand, wo die große öffentliche Straße vorbeiführte, wodurch die Strafe sich noch verschärft hätte. Wo aber wurde Andreas Henrich Baling aufgehängt? Zwischen Heiligengrabe und dem Dorfe Kemnitz gibt es ein Stück Heide, das trägt den Namen „Galgenbreite". Hier dürfen wir vielleicht die Richtstätte jener Tage suchen. Es ist merkwürdig, daß die Erinnerung an die Gerichtsbarkeit des Closters in der Ueberlieferung nicht stärker lebendig geblieben ist. Eine harte Zeit, die Recht und Gesetz höher achtete, als das Leben des Einzelnen, spricht aus diesem Urteil, das ein glücklicher Zufall unserem Museum zugeführt hat, zu uns. Aber es fehlt in dem Schriftstück nicht das versöhnende Moment: wenn sie zum Sterben wohl bereitet, heißt es in dem Schreiben. Das heißt: mit den Sterbesakramenten versehen, von den Tröstungen der Religion begleitet, treten sie ihren letzten Gang an. Für die Verschuldung fordert die beleidigte Gerechtigkeit Sühne, aber diese Sühne ist zugleich eine Genugtuung, eine Reinigung. Die Seele dessen, der zum warnenden Beispiel für andere, seine Schuld am Strange büßt, wird in Gottes Hand und Seiner Barmherzigkeit befohlen.
So erweist sich das für die Geschichte unserer Heimat so interessante Dokument als eine wichtige Neuerwerbung des Museums.