Heft 
(2020) 27
Seite
120
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120 Schriftenschau Otis 27(2020) H anson , T.(2016): Federn ein Wunderwerk der Natur, Naturkunden Nr. 26, Matthes& Seitz, Berlin, 275 Seiten, ISBN: 978-3-95757-232-5, 38,­ . Selbst unter Ornithologen ist wohl kaum bekannt, dass auf dem Mond eine Schwungfeder eines Wan­derfalken liegt. Sie war Gegenstand eines Experi­ments der Apollo-15-Besatzung zur Schwerkraft. Ein Hammer und diese Feder fielen gleich schnell auf die Mondoberfläche. Ein Beweis der These Galileos, dass fallende Objekte gleich schnell beschleunigen, unab­hängig von ihrer Masse. Mit der Evolution der Federn beginnt der Autor und geht dabei in lockerem Erzählstil weit in die Erd­geschichte zurück.Die Funde von Archaeopteryx Fos­silien spielt eine große Rolle im akademischen Streit über die Abstammund der Vögel von den Reptilien. Ausführlich wird die Entstehung von Federn und de­ren Funktion beschrieben, wobei häufig Beobachtun­gen und Experimente des Autors eingefügt werden. Auch die Fossilienfunde in China, an denen Vorfor­men von Federn entdeckt wurden, sind ein wichtiger Bestandteil des Kapitels zur Evolution der Federn. Anschaulich sind die Vorgänge bei der Mauser beschrieben. Die Bedeutung der Flaumfedern zum Kühlen und vor allem zum Wärmen wird hervor­gehoben. Untersuchungen des bekannten Biologen Bernd Heinrich in den USA an Goldhähnchen, nach der die Temperatur im Innern des Federkleides bis zu 78 °C von der Außentemperatur abweichen kann (Körpertemperatur des Goldhähnchen beträgt 44 °C und es überlebt-34 °C Außentemperatur), belegen die Bedeutung von Flaumfedern. Ausführlich analysiert der Autor die Formen des Fliegens und deren Entstehungsgeschichte. Na­türlich kommt er zum Wanderfalken, indem er Ex­perimente beschreibt, mit deren Hilfe die enorme Geschwindigkeit gemessen wird, die der Falke im Sturzflug erreicht.Auch die Versuchen des Menschen es den Vögeln gleich zu tun und wenigtens zu glei­ten, werden anschaulich beschrieben. Ein großes Kapitel widmet sich dem Feder­schmuck in der Mode, die einige attraktive Vogel­arten an den Rand des Aussterbens brachte. In den Jahren vor dem ersten Weltkrieg erreichte der welt­weite Federnhandel seinen Höhepunkt. Man erfährt z. B. dass dieTitanik über vierzig Kisten feinster Federn, die einen Versicherungswert von 2,3 Millio­nen Dollar ausmachten, für die Hutmacherläden in New York geladen hatte. Die Farbigkeit von Federn ist Gegenstand eines weiteren Kapitels, wobei zwischen Pigment- und Strukturfarben unterschieden wird. Schon die ers­ten befiederten Dinosaurier hatten farbige Federn. Dunkle mit hohem Melaninanteil sind besonders halt- und belastbar. Unter der ÜberschriftDie Macht der Feder finden sich Ausführungen zur ihrer Bedeutung als Schreibinstrument. Im 18. Jahrhundert widmete Diderot in seinerEncyclopedie mehrere Seiten der Kunst des Schreiben mit der Feder. Im Buch abgebil­det ist daraus die Anleitung zum fachgerechten Zu­schneiden einer Schreibfeder. Wer beherrscht diese Fertigkeit heute noch? Dass Vögel mit den Federn auch Töne erzeugen können, ist Ornithologen bekannt. Besonders viel­seitig ist das beim Keulenschwingenpipra, dessen sehr eigentümliche Federformen abgebildet sind. Erst durch den Einsatz von Hochgeschwindigkeits­kameras konnte man die Herkunft mancher Töne dieser Art erklären. Das Buch endet mit der Beschreibung eines Be­suchs des Autors in der drittgrößten Vogelsammlung der Welt mit 650 000 Exemplaren, in der die Bestim­mung einer Feder anschaulich beschrieben wird. Hier werden u. a. selbst kleinste Federreste, die beim Vogelschlag an Flugzeugen haften bleiben, analysiert und die Vogelarten bestimmt. Der großen Informationsgehalt des Buches er­höht sich neben einem umfänglichen Literaturver­zeichnis vor allem noch durch die am Ende jeden Kapitels erläuternden Fußnoten beträchtlich. Das für die ReiheNaturkunden typische, sehr stilvolle Layout lässt das Buch auch zu einem attraktiven Ge­schenk werden. Günter Kehl