Heft 
(2020) 27
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122 Otis 27(2020) einzelne Federn durch die Meisen eingetragen worden. Dies bestätigte sich bei der weiteren Inspektion des Nestes: Zu finden waren Federn aller Körperpartien, darunter Großfedern beider Flügel und des Schwan­zes. Zudem waren das linke Flügelskelett und das Brustbein enthalten.Aufgrund der eher grünlichen als blauen Farbe, der nur blassorangen Brustfedern und des vollständig ausgebildeten Gefieders ist von einem flüggen Jungvogel auszugehen(Abb.1),was gegen den spontanen Gedanken einer Baumhöhlenbrut spricht. Der Todeszeitpunkt lässt sich auf die Zeit nach dem Selbständigwerden im Vorjahr zurückdatieren. Som­mer oder Spätsommer 2019 würde zum Erhaltungs­zustand des Vogels und des Mooses passen. Dass hier ein erbeuteter Eisvogel durch einen kleinen Raubsäuger eingetragen wurde, lässt sich ausschließen, denn als Depotbeute wäre er später gefressen worden. Die Federn waren jedoch nicht ab­gebissen.Außerdem kämen von der Größe der Höhle bestenfalls Wiesel in Frage, für die aber ein derarti­ges Depot eher ungewöhnlich wäre. Das Meisennest hätte auch selbst ein Mauswiesel kaum getragen. Auch Interaktionen irgendeiner Art mit den teilweise karnivoren Wald- oder Gelbhalsmäusen sind nicht anzunehmen, da keinerlei Kot in dem Meisennest war.Was also könnte dann passiert sein? Um dies nachvollziehbar zu machen und die forensische Neugier zu befriedigen, machte ich mir den Spaß, die bereits aufgeschichteten Brennholztei­le unter Einsatz von viel Holzleim wieder zu einem Pfahl zusammenzubauen(Abb. 2). Dies lässt Vermu­tungen zu, was passiert sein könnte. Das Nest in dem ca. 8 cm durchmessenden Hohlraum stammte ver­mutlich von einer kleinen Meisenart und befand sich etwa 25 cm unter dem oberen Astloch(im Bild links). Dieses hat einen Querdurchmesser von 28,6 cm bei ovalem Schnitt.Dass die Vögel überhaupt das Nest in dem vollständig hohlen Stamm fixieren konnten, ist nur durch eine Holzspange zu erklären, die ins Inne­re des Pfostens ragte. Merkwürdig ist überdies, dass der Pfosten genutzt wurde, obwohl er oben offen war. Letztlich wurde in diesem Nest auch nicht gebrütet, denn es enthielt weder eine Mulde noch sonstige Anzeichen einer Brut. Die Reste des Eisvogels lagen oben auf dem Nest. Der Vogel kann von der Größe her kaum durch das kleine Astloch hineingelangt sein, eher durch die Öffnung oben. Zum Hergang sind zwei Versionen denkbar: Abb. 2: Der Pfahl, in dem die Reste des immaturen Eisvo­gels gefunden wurden. Der dunkle untere Teil war unter der Erde. The fence post, with the remains of an immature King­fisher on a tits nest some 50 cm beneath the open top of the post. The dark part on the base was underground. Foto: T. Langgemach. Möglichkeit 1: Der Vogel ist lebend hineingelangt und war nicht in der Lage, die etwa 50 cm bis zu die­ser Öffnung wieder hochzuklimmen. In der Biologie des Eisvogels gibt es normalerweise nur waagerechte bzw. leicht schräge Röhren, nicht jedoch solche, die senkrecht und kaminartig sind. Im unteren Teil gab es mehrere große Ausgänge aus dem Pfahl, aber die­se waren durch das Nest versperrt. So würde sich ein Hergang erklären, der den Beschreibungen bei P utze (2008) entspricht: Er beschrieb unter Einbeziehung weiterer Quellen, dass Vögel, die in hohle Kunststoff­pfähle geraten waren, zu Tode kamen, da sie weder nach oben entkommen konnten noch unten einen Ausgang fanden. Die abgebaute Holzpfahlreihe mit dem Eisvogelfund befand sich entlang eines Ent­wässerungsgrabens, so dass der möglicherweise noch ungeschickte Jungvogel vielleicht einfach beim Ansitzen hineingeraten ist. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass der Bindegarnfaden im Nest eine Rol­le gespielt hat, denn er befand sich im Inneren des