Heft 
(1.1.2019) 03
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PUTZ 3/99

Buchtips

Das Ende des Kapitalismus

Die Franzosen werden entwe­der lernen müssen, aus ukraini­schem Weizen gebackene Croissants zu essen oder eines Tages vor der Situation stehen, daß zwei Millionen Ukrainer in Paris leben, erläutert Lester Thurow die Auswirkungen der internationalen Handelsver­flechtungen. Eine skurile Vor­stellung, oder?

Lester Thurow. schrieb ein Wirtschaftsbuch so hat es zu­mindest dem Titel nach den Anschein. Um es vorwegzuneh­men, es ist auch ein Buch über Wirtschaft, aber doch viel mehr als nur das. Thurow versteht es wie kaum ein zweiter, sein Werk einem breiten Leserkreis zu er­schließen. Er greift Modelle aus der Geographie auf, unter­

nimmt Streifzüge durch die

Antike, diskutiert die biologi­sche Evolution und die religiö­se Ethik. Er tut dies in einer Weise, daß es scheint, als wür­den die harten Fragen der wirt­schaftlichen Entwicklung nur nebenbei behandelt. Doch das Gegenteil ist der Fall: Der Kapi­talismus heute, als Sieger über Kommunismus und Sozialismus (er meint eigentlich die soziale Marktwirtschaft bzw. den sozia­len Wohlfahrtsstaat), steht von der ersten bis zur letzten Zeile im Mittelpunkt: Ohne Feinde, ohne Wettbewerber zeigt er an verschiedenenTatorten seine Vorzüge und Schwachpunkte. Quasi scheibchenweise werden die Probleme des Kapitalismus bloßgelegt. Als Leser steigt man in ein Taxi und läßt sich von ei­ner Säule seines Systems zur nächsten chauffieren. Reisebe­gleiter Thurow erzählt Anekdo­ten und zeigt, was seiner Welt­sicht nachden Kapitalismus im Innersten zusammenhält. Mittelpunkt der Reise sind die Vereinigten Staaten, doch auch Ausflüge nach Europa und Asien stehen auf dem Pro­gramm. Den Begriff Globali­sierung verwendet der Autor sparsam und doch ist er präsent. Über die aktuellen Schwierigkei­ten kann Thurow wundervoll philosophieren. So fragt er bei­spielsweise:Warum sollte je­mand einem amerikanischen Doktor der Physik 75.000 Dol­

lar pro Jahr zahlen, wenn ein Nobelpreisträger aus der ehema­ligen Sowjetunion schon für ei­nen Bruchteil davon zu haben ist? Eine Frage, die jeden Nach­wuchswissenschaftler auch in Deutschland interessieren sollte. Thurow dringt auch in die klein­ste kapitalistische Keimzelle in die Familie ein, um festzustel­len:Männer, die ihre Familie im Stich lassen, können ihren Le­bensstandard um real 73 Prozent erhöhen. Ohne allerdings zu verschweigen, daß dadurch der Lebensstandard der zurückge­bliebenen Familie um 42 Pro­zent sinkt. Wie veraltet die klas­sische Familie heute wirklich ist, wird einem erst nach dem Lesen dieses Buches klar.(Keine Bett­lektüre für angehende Ehepaare also!) In ähnlicher Art und Wei­se wird das Bevölkerungswachs­tum und der damit in Zusam­menhang stehende Generations­vertrag thematisiert.

Thurow beleuchtet die großen politischen und ökonomischen Bündnisse, wie die EU oder die NATO, und untersucht sie auf ihre Wirksamkeit und ihre Ent­wicklung hin. Die Medienkultur dagegen wird nicht aufs Korn, sondern in Schutz genommen, mit einer Argumentation, die nur Ökonomen Eeinleuchtet: Die Medien liefern einfach das, was sich verkauft und den höch­

sten Gewinn verspricht. Die an­geführten Fragmente sind will­kürlich und selektiv. Sie sollen vermutlich den Leser zum Wi­derspruch anregen. Thurow gelingt es, den Leser einzufangen und für seine An­liegen einzunehmen: Langfri­stige Investitionen in das allge­meine Bildungswesen und in Infrastrukturmaßnahmen statt kurzfristiger Konsummaximie­rung. Nur so könne dasge­störte Gleichgewicht wieder in Ordnung gebracht werden. Thurows Buch ist ein echtes Teseerlebnis mit belletristi­schen Zügen. Es hinterfragt unseren Glauben an diekapi­talistische Gesellschaft, unsere Lebensansprüche und unsere Arbeitswelt und hält Ansätze für Lösungen bereit, denen man vielfach folgen mag, ande­rerseits aber auch aus mitteleu­ropäischer Sicht mit gesunder Skepsis gegenüberstehen wird. Harald Sempf, Wirtschafts- und Sozial­wissenschaftliche Fakultät

Lester C. Thurow: Die Zu­kunft des Kapitalismus. Er­schienen in der 3. deutsch­sprachigen Auflage im Me­tropolitan Verlag, ISBN 3-89623-145-6, erhältlich im Buchhandel als Paperback für DM 29,90.

Venezuela

Wer in El Trompillo lebt, wird meist nicht älter als 49 Jahre. Jedes dritte Kind ist hier unter­ernährt. In dem Armenviertel am Rande der Stadt Barquisimeto im Nordwesten Venezuelas leiden vor allem alleinerziehende Müt­ter unter größter Armut. In dem SelbsthilfeprojektEquipo El Trompillero können die Men­schen nicht nur Lesen und Schreiben lernen, hier werden

Treibende Kraft#"

auch Altkleider gesammelt, ge­waschen und verkauft. Frauen sind in dem Selbsthilfeprojekt die treibende Kraft, sie sind beson­ders aktiv. Hier finden sie Rück­halt und neue Wege, ihren Lebens­unterhalt zu verdienen.

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Foto: Hardy Buller

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Mathematik für das Weltall

Im Frühjahr 1998 versammel­ten sich mehr Salsäähundert Kosmologen der mathemati­schen Richtung in Potsdam, um während eines einwöchigen Workshops die mathematischen Modelle zu diskutieren, mit de­nen heute versucht wird, das Universum zu beschreiben. 52 Vorträge sind nun in überarbei­teter Form in dem Fachbuch versammelt, welches eine Über­sicht über den Stand der Debat­te in der mathematisch orien­tierten Kosmologie gibt. PUTZ

Martin Rainer, Hans-Jürgen Schmidt(Hrsg.): Current Topics in Mathematical Cos­mology, World Scientific Pu­blishing, Singapore, 1998, 484 S., 88 US$.

CD-Rom

Den Jahrgang 1998S der WissenschaftszeitschriftFor­schung& Lehre$ gibt es jetzt auf einer CD-Rom. Abrufbar sind damit Nachrichten aus Wissenschaft und Forschung sowie vielfältige Hintergrund­informationen zur Hochschul­und Kulturpolitik des zurück­liegenden Jahres. Eine Test­version der CD-Rom finden Interessenten im Internet unter http://www.forschung-und­Jlehre.de /cdrom. PUTZ

CD-RomForschung& Leh­re, 24,50 DM zzgl. 3,50 DM Versandkosten. Bestel­lungen bei: RedaktionFor­schung& Lehre,,, Rheinallee 18, 53173 Bonn, Fax 0228/ 359947.

Leben in der DDR

Tagungsberichte zu Themen der DDR; dem Alltag in der Arbeitsgesellschaft und der Entstalinisierung sind im Bulle­tin des Potsdamer Zentrums für Zeithistorische Forschung veröffentlicht. PUTZ

Sylvia Klötzer, Waltraud Pe­ters, Martin Sabrow(Red.): Potsdamer Bulletin für Zeit­historische Studien, Nr. 14, 1998, 67 S., 2 DM.

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