konnte auch im Spreewald uneingeschränkt bestätigt werden: In den genauer untersuchten Jahren 2018-2020 betrugen die durch landwirtschaftliche Tätigkeiten hervorgerufenen Verluste jährlich höchstens 9%. Möglicherweise war der Anteil sogar noch etwas geringer. Die Kontrolle der Brutplätze erfolgte normalerweise in mehrtägigen Abständen. Wurden eine Brutfläche frisch bearbeitet vorgefunden und dort keine Kiebitze mehr angetroffen, galt „ Bewirtschaftung" per se als Verlustursache. Allerdings war nicht in allen Fällen bekannt, ob zu diesem Zeitpunkt in den entsprechenden Brutflächen tatsächlich noch Kiebitze präsent oder aber kurz vor Beginn der landwirtschaftlichen Tätigkeiten bereits prädationsbedingt abgewandert waren. Dann wäre die eigentliche Verlustursache unbekannt geblieben. Im Vergleich mit anderen Untersuchungen war der Anteil landwirtschaftlich bedingter Verluste im Spreewald ungewöhnlich gering. Bei 14 anderen Studien lag er zwischen 10 und 46%, zwei Untersuchungen fanden Werte von nur 4% bzw. 6%( s. Übersicht bei KÖSTER et al. 2001).
Der ziemlich geringe Anteil anthropogen bedingter Ausfälle im Spreewald könnte jedoch auch wegen des frühen Abzugs vieler Brutvögel„ abgemildert“ worden sein: Die Mehrzahl der Kiebitze hat nämlich schon bis Anfang Mai ihre Brutplätze wieder verlassen( Abschnitt 4.1.3)- also noch klar vor Beginn des ersten Grünlandschnitts. Ein beträchtlicher Teil der Population geriet daher nicht( mehr) in Konflikte mit landwirtschaftlichen Aktivitäten.
Das Geschehen in häufiger und in kurzen Abständen untersuchten Kolonien präsentierte sich überaus dynamisch: Die große Mehrheit der entdeckten Gelege( i. d. R. durch brütende Vögel so definiert) war meist nur wenige Tage vorhanden, und nur ausnahmsweise bebrüteten alle Paare einer größeren Kolonie gleichzeitig Gelege; im Normalfall würde man zu Beginn der Brutzeit eine Synchronisation des Legebeginns verschiedener Paare erwarten ( BEZZEL& PRINZINGER 1990). Typischerweise kommt es jedoch schon innerhalb weniger Tage nach den ersten Legebeginnen zu einem raschen und unübersichtlichen Wechsel von Eiablage, Bebrütung, Gelegeverlusten und erneuter Balz mit nachfolgend anderen Neststandorten( die abermals wenige Tage später oft schon wieder verwaist waren). Dies betraf Kolonien in artenschutzgerecht bewirtschafteten
75
Flächen in gleichem Umfang wie solche in konventionell bewirtschafteten Flächen.
Es ist anzunehmen, dass all diese Gelegeverluste durch Prädation verursacht wurden( sofern witterungsbedingte Extreme auszuschließen waren). Prädation ist bei einem Bodenbrüter, wie dem Kiebitz, ein völlig normaler Begleitumstand des Brutgeschäfts und spielte lange Zeit eine untergeordnete Rolle( GLUTZ VON BLOTZHEIM et al. 1975, TEICHMANN 1975). Als zentrale Verlustursache beim Kiebitz zeichnete sich Prädation erst seit Mitte der 1990er Jahre ab und geriet deshalb zunehmend in den Fokus der Wissenschaft und des Artenschutzes( BELLEBAUM 2002, LANGGEMACH& BELLEBAUM 2005, TEUNISSEN et al. 2008). Seitdem gilt sie übereinstimmend nicht nur als bestandsgefährdendes Problem, sondern als der Hauptgrund für den dramatischen Rückgang des Kiebitzes in Mitteleuropa ( HÖTKER 2015, PLARD et al. 2019).
Im Spreewald waren Feststellungen zur Prädation( direkte Beobachtungen, Eischalenreste, leere Nester) ausschließlich Zufallsbeobachtungen, die weder Umfang noch Ausmaß auch nur ansatzweise objektiv widerspiegeln( siehe BELLEBAUM 2001, BELLEBAUM& BOCK 2009). Unter den Vögeln wurden Nebelkrähe Corvus cornix( die im Spreewald hohe Dichten erreicht; s. MÄDLOW 2004) und Kolkrabe C. corax( bei Gelegen) sowie die Rohrweihe Circus aeruginosus ( Küken) als Beutegreifer festgestellt. Gründliche Untersuchungen an Kiebitznestern in verschiedenen Regionen ergaben jedoch einheitlich und sehr überzeugend, dass für die übergroße Mehrzahl der Verluste nicht tagaktive Vogelarten( v. a. Rabenvögel) oder etwa Wildschweine Sus scrofa , sondern insbesondere nächtlich agierende Raubsäuger verantwortlich sind( BELLEBAUM 2001, EIKHORST& BELLEBAUM 2004, JUNKER et al. 2006, LITZBARSKI& LITZBARSKI 2008). Diesen und weiteren Quellen zufolge ( KUBE et al. 2005, ŁAWIKI et al. 2011) wird mehrheitlich der Rotfuchs Vulpes vulpes als häufigster Prädator angesehen.
Innerhalb der hiesigen Brutflächen wurden unter den Raubsäugern folgende potenzielle Gelegeprädatoren bzw. ihre Spuren registriert( Reihenfolge etwa nach Häufigkeit der Zufallsbeobachtungen): Rotfuchs, Waschbär Procyon lotor , Marderhund Nyctereutes procyonoides , Mink Neovison vison, Baummarder Martes martes , Fischotter Lutra lutra , Dachs Meles