Aktuelles aus der Staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburg 139 von„Konfliktarten“. Hinzu kommt eine Vielzahl von kleineren Aufgaben, die aber zeitlich durch ihre schiere Menge bedeutsam sind. Dazu zählen beispielsweise Anfragen von Behörden, wissenschaftlichen Einrichtungen, Planungsbüros, Vereinen und Bürgern, die teils schnell erledigt sind, teils aber auch umfangreiche Stellungnahmen erfordern. Im Prozess der Priorisierung wurde nicht nur die Menge und inhaltliche Breite der Aufgaben einer Vogelschutzwarte deutlich, sondern auch die hohen fachlichen Anforderungen und die Konfliktträchtigkeit vieler Themen. Allein das Thema „Windkraft und Vögel“ – eine von 130 Aufgaben – hat fast zwanzig Unterthemen(vgl. Otis 29/2022). Keine offizielle Zuständigkeit hat die Vogelschutzwarte bei der Solarenergie. Dennoch erreicht uns auch auf diesem Gebiet eine Unmenge Anfragen von Gemeinden, UNBn, Großschutzgebietsverwaltungen, Planern, Naturschützern, Bürgerinitiativen und anderen Akteuren – sowohl allgemeiner Natur als auch auf konkrete Planungen bezogen. Aufwändig, aber sehr praxisnah ist die Betreuung der Europäischen Vogelschutzgebiete„Havelländisches Luch“ und„Belziger Landschaftswiesen“. Sie steht stellvertretend für den Arbeitsbereich„Vogelschutz in der Agrarlandschaft“, der vor allem angesichts der landesweit sinkenden Bestände vieler Agrarvogelarten hoch prioritär ist. Die Erfolge in der Entwicklung der beiden Gebiete in über dreißig Jahren erfordern weitere Kontinuität, und die damit zusammenhängenden Arbeiten sind als Daueraufgaben anzusehen. Wichtig, auch im Sinne der Beispielwirkung, ist, dass die Erfolge gemeinsam mit der Landwirtschaft erzielt wurden. Auch dieser Aspekt erfordert Kontinuität, wenn man die gemeinsam erzielten Erfolge und die Kooperation an sich nicht aufs Spiel setzen möchte! Auf der Negativseite der Analyse stehen Aufgaben, die nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr leistbar sind, wie die 2008 beendete Betreuung des SPA Rietzer See. Nur teilweise konnte sie durch ehrenamtliches Engagement aufgefangen werden. Dazu gehören aber auch Aufgaben, die früher als Kernaufgaben von Naturschutzstationen und der Vogelschutzwarte galten, etwa die Vermittlung von Naturschutzgedanken an die Bevölkerung und die Schulung von Behörden und Ehrenamtlichen (Meckelmann 2001). Die Arbeit der ehrenamtlichen Naturschützer ist aber von unschätzbarem Wert für die Naturschutzverwaltungen auf allen Ebenen. Hauptamtlich wäre sie nicht leistbar. Doch nicht nur deswegen rangiert die Kooperation weit oben in der Prioritätenliste, sondern auch, weil es Spaß macht, gemeinsam an sinnvollen und wichtigen Themen zu arbeiten! Zu den Themen, bei denen Handlungsbedarf und Umsetzung von Schutzmaßnahmen am weitesten auseinanderklaffen, zählt der Schutz unserer Wiesenbrüter. Diese Situation führte dazu, dass im Jahr 2022 gleich zwei Wiesenbrütertagungen in Brandenburg stattfanden, die auch aufeinander abgestimmt waren. Die erste dieser Tagungen am 13./14. Juni wurde durch die„Brandenburgische Akademie Schloss Criewen“ organisiert. Sie hatte einen überregionalen Ansatz mit Referenten aus fünf Ländern sowie neun Bundesländern. Präsentiert wurden Projekte, die zwar vergleichbare Ausgangsbedingungen wie in Brandenburg hatten, jedoch längerfristig zu ansteigendem Bruterfolg und wachsenden Beständen führten. Selbst eine Art wie der Kampfläufer, der in Deutschland aufgrund des Klimawandels schon aufgegeben war, konnte in mehreren Gebieten zurückgeholt werden! Die anhand der besten Beispiele zusammengetragenen Erfolgsfaktoren hören sich wie eine To-do-Liste für Brandenburg an: Bei Großflächigkeit und Unzerschnittenheit sowie wenig Störungen können wir noch mithalten. Es kommt aber auch auf langfristige, konsequente Gebietsentwicklung an. Hohe Grundwasserstände sind bis in den Juni erforderlich. Die landwirtschaftliche Nutzung muss aufrechterhalten, aber im Sinne der Wiesenbrüter angepasst werden. Agrar-Umweltmaßnahmen allein genügen dabei nicht – es bedarf einer intensiven Betreuung der Schutzgebiete und enger, flexibler und individueller Kooperation mit den Partnern in der Landwirtschaft. In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen erfolgt dies z. B. über ein Netzwerk von personell gut ausgestatteten Biologischen Stationen. Kaum ein Projekt kommt am Thema Prädation vorbei, wobei sich unter den Gegenmaßnahmen vor allem Zäunungen unterschiedlicher Art als wirksam erwiesen haben. Nicht zuletzt ist in den verbliebenen Rückzugsräumen der Wiesenbrüter ein weithin offener Landschaftscharakter ohne aufgelassene Flächen, Landröhrichte, Windschutzstreifen oder alte Gebäude wichtig und muss ggf. wiederhergestellt werden.
Heft
(2023) 30
Seite
139
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