Heft 
(2023) 30
Seite
143
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Aktuelles aus der Staatlichen Vogelschutzwarte Brandenburg 143 Bei der jetzigen Betrachtung jeder einzelnen Pla­nung ohne die kumulative Betrachtung wird der Rotmilan immer der Verlierer sein! Pikant ist, dass Reichenbach et al.(2023) schreiben, in ihrem Untersuchungsgebiet hätte die online verfügbare sogenannteDürr-Liste keine kollidierten Rot­milane ausgewiesen, obwohl zwei Opfer darin ent­halten sind. Hinzu kommen nicht weniger als 19 (!) weitere Kollisionsopfer im Radius von fünf Ki­lometern um dieses Gebiet. Geradezu beispielhaft zeigt dies den Widerspruch zwischen den model­lierten hohen Meidungsraten und einem dennoch hohen Gesamtrisiko für Kollisionen. Zum Schutz des Rotmilans ist es dringend erforderlich, kurz­fristig zu ähnlichen Verbesserungen zu kommen wie bei den Themen Stromschlag und illegale Ver­folgung. Das Sekretariat der Bonner Konvention hat im Juli ein Update zum Stand der Vogelgrippe bei Wildvögeln herausgegeben(Scientific Task Force on Avian Influenza and Wild Birds 2023). Die Inhalte sind für Brandenburg wichtig vor dem Hintergrund von aktuellen Ausbrüchen im Havelland, in der Lausitz und weiteren Ge­bieten, die vor allem Möwen und Seeschwalben betrafen(nach noch unvollständigen Daten etwa 500 Opfer!), aber auch Beutegreifer wie den Wan­derfalken. Das nur noch eingeschränkte Verlust­monitoring der Vogelschutzwarte lässt kaum noch Aussagen zur Betroffenheit von Greifvögeln zu. Beim Seeadler und beim Wanderfalken sind aus anderen Regionen große Verluste dokumentiert. Eine Hühnerfreilandhaltung direkt am Rande des Großtrappen-SchutzgebietesHavelländisches Luch ließ sich(u. a. mit dem Argument Vogel­grippe) nicht verhindern, befindet sich kurz vor der Inbetriebnahme und steht sinnbildlich für die Risikosituation in der Wechselwirkung von Haus­geflügel und Wildvögeln im konkreten Fall einer hoch gefährdeten Art. Hochpathogene Aviäre Influenza(HPAI, Vo­gelgrippe) verursacht gegenwärtig weltweit nie dagewesene Mortalität unter Wildvögeln sowie auch unter Säugetierarten. Arten, die ohnehin un­ter anthropogenen Stressfaktoren leiden, werden dadurch zusätzlich gefährdet. Von dem nunmehr auch besser an Wildvogelarten adaptierten Virus werden weitere negative Auswirkungen auf Vogel­arten und ihren Schutz erwartet. Wildvögel sind sowohl Opfer als auch Vektoren des Virus, dessen Herkunft in der Geflügelproduktion liegt. Neu an der gegenwärtigen Situation sind unter anderem: weltweite Verbreitung in Wildvogelpopulationen, Betroffenheit einer steigenden Zahl von Arten (mehr als 400 Vogelarten), existenzielle Gefährdung bei einigen Vogelarten, Ausbrüche nicht mehr nur im Winterhalbjahr, sondern auch in der Brutzeit, extrem hohes Ausmaß der Mortalität, Ausbrüche auch bei einer zunehmenden Zahl Säugetierarten und daraus resultierend auch ein größeres Risiko für den Menschen. Die Regierungen bzw. ihre Umweltschutzbehörden werden aufgerufen, HPAI als ein wichtiges Thema des Vogelschutzes zu betrachten und aktiv die Verantwortung dafür zu übernehmen. Dazu tra­gen z. B. ein verbessertes Monitoring(HPAI und Populationen) sowie ressortübergreifendes(Um­weltschutz, Landwirtschaft, Veterinärwesen) und planmäßiges Herangehen bei. Es ist unabdingbar, dass HPAI nicht nur aus ökonomischer Sicht und im Hinblick auf die Geflügelproduktion gesehen wird, sondern auch als gravierendes Artenschutz­problem. Betont wird einmal mehr derOne­Health-Ansatz, nach welchem die Gesundheit der Menschheit, der Tierwelt und der Lebensräume gleichermaßen zu betrachten ist(vgl. z. B. Doyle et al. 2020). Die Reduzierung anderer Gefährdun­gen und die Verbesserung der Lebensraumqualität können auch den Einfluss von Influenza abpuffern (Scientific Task Force on Avian Influenza and Wild Birds 2023). Zu den von der Vogelschutzwarte für das Land Brandenburg erarbeiteten Handlungsempfehlun­gen gehören Verbesserungen beim Wildvogelmo­nitoring, eine Wahrnehmungskampagne, die sich an relevante Zielgruppen wendet, das Aufstellen von Handlungsplänen in Kooperation von Natur­schutz, Veterinärwesen und Landwirtschaft, ein Alarmsystem beim Auftreten von Fällen, die Stär­kung von Forschung sowie generell ein effizienter Vogel- und Lebensraumschutz als Beitrag zur Sta­bilisierung betroffener Populationen und Puffe­rung von Ausbrüchen. Fünf Jahre nach der internationalen Tagung in Bad Belzig fand vom 18. bis zum 21. September