Heft 
(2023) 30
Seite
142
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142 Otis 30(2023) Abb. 6: Diesjähriger Brachvogel, der im SPA Havelländisches Luch flügge wurde; dort zuletzt gesehen am 26.06.2023 und fotografiert am 19.07. in den Niederlanden. Foto: I. Kerkhoff. First calendar year Eurasian Curlew that fledged in the SPAHavelländisches Luch It was last sighted there on 26.06.2023 and photographed on 19.07. in the Netherlands. Bei den noch nicht flüggen Vögeln dominieren mit mehr als drei Viertel der Verluste natürliche Todesursachen, vor allem Prädation und Absturz aus bzw. mit dem Nest. Bei den flüggen Vögeln fällt hingegen ein hoher Anteil anthropogen ver­ursachter Mortalität auf. An erster Stelle steht die Kollision mit Windkraftanlagen mit einem Anteil von 32,9 % bzw. 39,7 % seit 2008. Der Verkehr an Straßen und Schienen verursachte knapp 20 % der dokumentierten Verluste und lässt keine Zu- oder Abnahme erkennen. Die Abnahme von Freilei­tungsopfern(insgesamt 9,1 %) geht vor allem auf die erfolgreiche Sicherung der Mittelspannungs­masten auf der Grundlage des§ 41 BNatSchG zu­rück. Nach 2016 wurden keine Stromopfer mehr registriert; Leitungsanflug spielt beim Rotmilan nur eine untergeordnete Rolle. Weitere Details gehen aus der im Druck befindlichen Publikation hervor(Langgemach et al. 2023). Die Ergebnis­se sind spannend vor dem Hintergrund weiterer laufender oder just veröffentlichter Arbeiten. Dazu gehört das Telemetrieprojekt Life Eurokite mit einem geringeren Anteil Windkraftopfer, was bis­her allerdings nicht wissenschaftlich publiziert ist. Die Abweichungen werden in unserer Auswer­tung diskutiert und sind erklärbar, u. a. durch ei­nen völlig anderen räumlichen Bezug(Europa vs. Brandenburg) und regional sehr unterschiedliche Verlustschwerpunkte. Nicht zuletzt wurden schon durch Bellebaum et al.(2013) für Brandenburg jährlich mehr als 300 kollidierte Rotmilane er­rechnet. Interessant sind auch zwei Arbeiten aus Hessen, die für fliegende Rotmilane Meidungs­raten von 98–99 % an Windkraftanlagen errech­nen(Mercker et al. 2023, Reichenbach et al. 2023). Dies klingt überaus erfreulich und deutet an, dass es kaum ein Problem für den Rotmilan gibt. So werden es viele Politiker, Planer und In­vestoren herauslesen. Dennoch ist der Rotmilan dabei, den Mäusebussard in der Kollisionsliste einzuholen und den ersten Platz zu erobern(vgl. Dürr 2023), obwohl der Mäusebussard mehr als fünfmal so häufig ist(Ryslavy et al. 2020). Der Widerspruch zwischen hohen Meidungsraten und dennoch hohen Verlusten lässt sich erklären: Bei der Masse der vorhandenen WEA und der Menge der vorkommenden Rotmilane summieren sich die Promille-Risiken der einzelnen Durchflüge doch zu einem hohen Gesamtrisiko. Dies führt vermutlich in Gebieten mit hoher Dichte an Wind­kraftanlagen zu Sink-Populationen. Je mehr solche Sink-Populationen wir bei zunehmender Anlagen­zahl haben, desto mehr ist der Erhaltungszustand der Gesamtpopulation in Deutschland gefährdet.