Heft 
(2023) 30. Sonderheft
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Kalbe und Mädlow: Zur Geschichte der brandenburgischen Ornithologie

natsdrittelbasis erstellt werden, die den Zugver­lauf der Arten gut widerspiegelten( OAG BERLIN ( WEST ) 1990). Und die hohe Kontrolldichte in vie­len Gebieten ermöglichte es, im Frühjahr Durch­zügler von lokalen Brutvögeln zu trennen. Das

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ermöglichte STEIOF( 1986), den Zugverlauf häu­figer Kleinvogelarten abzugrenzen, eine wichtige Grundlage für den Ausschluss von Durchzüglern bei Brutvogelerfassungen nach der Revierkartie­

rungs- Methode.

3.11.4 West- Berliner Ornithologie und das Umland

Überregional war die OAG Berlin( West ) ganz in die ornithologische Szene der Bundesrepub­ lik Deutschland eingebunden( Klaus WITT war langjähriges Vorstandsmitglied und später Vor­sitzender des DDA ). Während es in den 60er Jah­ren aufgrund fortgeführter persönlicher Kontakte noch übergreifende Datenauswertungen für die Gesamtstadt und vereinzelt sogar gemeinsame Projekte mit Ost- Berliner Ornithologen gab( z. B. die Türkentauben- Kartierung 1964) lief das in den 1970er Jahren aus. Reguläre Kontakte zwischen den ornithologischen Arbeitsgemeinschaften in den beiden Stadthälften gab es nicht mehr. Eine bemerkenswerte Ausnahme bildet ein Treffen, das in Französisch Buchholz in der Privatwohnung des Kulturbund - Bezirkssekretärs Ralf LINDEMANN stattfand. OTTO( 2000) gab als wahrscheinliches Datum den Mai 1978 an, jedoch geht W. OTTO ( briefl.) jetzt davon aus, dass das Treffen zwischen 1981 und 1985 abgehalten wurde. Teilnehmer wa­ren zumindest Klaus WITT und Hinrich ELVERS aus West- Berlin und Winfried OTTO und Günter DEGEN aus Ost- Berlin . Die Gesprächsinhalte lie­Ben sich nicht mehr ermitteln- möglicherweise ging es um die in beiden Stadthälften stattfinden­den Gitterfeldkartierungen. Das Treffen wurde auf Ost- Berliner Seite geheim gehalten und fand keine Fortsetzungen( OTTO 2000).

Die Datensammlung im OB war ja, wie darge­stellt, ausdrücklich auch für die Bereitstellung von Material für die geplante Avifauna Brandenburgs begonnen worden. Tatsächlich wurde das West­Berliner Gebiet ungeachtet der politischen Gren­zen in der Brandenburg- Avifauna von RUTSCHKE ( 1983) berücksichtigt. Allerdings hatten offen­sichtlich längst nicht alle Artbearbeiter das West­Berliner Material zur Verfügung, so dass ELVERS&

BRUCH( 1984) eine umfangreiche Liste von Ergän­zungen vorlegten. Diese wurden bei dem ansons­ten weitgehend unveränderten Nachdruck der Avifauna 1987 teilweise berücksichtigt.

Daneben gab es Kontakte auf persönlicher Ebene zu Ornithologen im Ostteil Berlins und in der DDR . Ein Beispiel dafür ist Klaus Dietrich FIU­CZYNSKI, der gezielt Kontakt zu Greifvogelenthusi­asten auf der anderen Seite der Mauer suchte und gemeinsame Aktivitäten durchführte( HASTÄDT& SÖMMER 2014). Der Ost- Berliner Ornithologe Bernhard SCHONERT kontrollierte regelmäßig die Waẞmannsdorfer Rieselfelder am Stadtrand und meldete die Daten an den Ornithologischen Bericht. Die Zahl der Tagesexkursionen West­Berliner Ornithologen in das attraktive Berliner Umland nahm in den 80er Jahren zu. Viele Or­nithologen hatten Literatur- Tauschpartner in der DDR und erhielten so im Tausch gegen Westlite­ratur den Falken, die Beiträge zur Vogelkunde", die Pica oder die begehrten Bände der Neuen Brehm- Bücherei.

Viele West- Berliner Ornithologen kannten also die ornithologische Literatur aus der DDR und Ost- Berlin , und die Namen der Akteure waren ih­nen ein Begriff. Die erste Gelegenheit zu persönli­cher Kontaktaufnahme nach dem Fall der Berliner Mauer war für viele das Treffen der Beobachter­gruppe am 9.1.1990 in Tempelhof . Rund 30 Gäste aus Ost- Berlin und der DDR waren anwesend, und es ging ein hörbares Raunen durch die Menge, als sich bei der Vorstellungsrunde erstmals Gesichter mit bekannten Namen verbanden. Dies war der Beginn einer fruchtbaren ornithologischen Zu­sammenarbeit über die Stadtgrenzen hinweg und gleichzeitig das Ende der Insel- Ornithologie in der künstlichen politischen Einheit West- Berlin .