Wahrnehmungswiderstände und Behinderungsbewältigung bei Körperbehinderten
Von Thomas Profazi
Auf derSuche nach verschiedenen Wegen zur Operationalisierung von„Behinderungsbewältigung” bei Körperbehinderten wird die Möglichkeit der Erfassung einer relevanten autonomen Reaktion geprüft. Eine amerikanische Studie, die durch eine tachistoskopische Versuchsanordnung auf dem theoretischen Hintergrund des„perceptual-defense-paradigm” Verdrängungsmechanismen bei Körperbehinderten untersuchte, wird repliziert. In Umkehrung der Ergebnisse jener Studie ergibt die Replikation, daß nicht die Gruppe der körperbehinderten, sondern die Gruppe der nicht-behinderten Vpn mit erhöhter Wahrnehmungsabwehr auf die bildliche Darbietung sicherbar körperbehinderter Personen zu reagieren scheint(p< 0.001). Die Diskussion dieses Resultats führt zu der Schlußfolgerung, das verwendete Untersuchungsdesign nur als bedingt geeignet im Sinne der Ausgangsfragestellung zu bewerten. Alternativen werden angedeutet.
Probleme und Ausgangslage
The purpose of this study was to examine whether the ’perceptual-defense-paradigm’ is an adequate way to measure’coping with physical disability”. A corresponding American study was replicated by presenting pictures of disabled and non-disabled people tachistoscopically to physically disabled and normal Ss. In opposition to that study results indicated large differences(p < 0.001) between normal and disabled Ss in perceiving the pictures: Not the disabled as expected but the normal Ss seemed to react with higher perceptual defense. The discussion of these findings led up to the conclusion that the employed design is not really suitable to measure coping with physical disability. Alternative ways were suggested.
Selbstkonzeptforschung und autonome Reaktionen
In der Regel sind es die gängigen Methoden der Selbstkonzeptforschung im weiteren Sinne(Mummendey 1979), die in den wenigen empirischen Arbeiten zu persönlichkeitspsychologischen Problemen der Behinderungsbewältigung Verwendung finden. Damit werden vorwiegend selbstbezogene Kognitionen, weniger aber emotionale oder aktionale Aspekte eines in Frage stehenden Konstruktes erfaßt(Hofmann 1981).
Die häufig fehlende Entsprechung dieser drei Merkmalsebenen ist beispielsweise aus der Aggressionsforschung seit langem bekannt(Parsons et al. 1969). Es wird daher auch für eine Psychologie der
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Behinderungsbewältigung von großem Interesse sein, Möglichkeiten zur Ergänzung entsprechender Selbstkonzept-Ergebnisse durch prinzipiell andere methodische Zugangswege zu finden.
Auf die Problematik einer direkten Verhaltensbeobachtung verschiedener Copingfähigkeiten und Copingmuster(Prystav 1981) soll in diesem Zusammenhang nicht näher eingegangen werden. Hier dürften allerdings neben methodologischen Schwierigkeiten auch erhebliche praktische Probleme der Durchführbarkeit und Ökonomie auftauchen. Eine weitere Möglichkeit, die SelbstkonzeptEbene zu verlassen, bietet sich jedoch über die Erfassung sog. autonomer Reaktionen(vgl. Hentschel und Smith, 1980: perzeptgenetische Verfahren) an. Damit sind in erster Linie jene psychophysiologischen Reaktionen gemeint, die nicht
der unmittelbaren willentlichen Kontrolle unterliegen, bzw. als von selbstbezogenen Kognitionen prinzipiell unabhängige Operationalisierungsversuche eines in Frage stehenden Konstruktes angesehen werden dürfen.
Als Beispiel für die Fruchbarkeit von Untersuchungsdesigns, die eine kombinierte Erfassung von Selbstkonzept und autonomen Reaktionen bevorzugen, kann neben der Angstforschung vor allem die Streßforschung(Weinstein et al. 1968, Otto/Bösel 1978) gelten. Scherer et al.(1985) erhoben in verschiedenen Belastungsexperimenten neben Selbstkonzeptaspekten(z.B. Selbsteinschätzungen) vor allem auch physiologische Streßindikatoren(elektromyographische Messungen, elektrodermale Aktivität, Atemrate, Pulsrate), vokale Streßindikatoren(Grundfrequenz, Spektralcha
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XII, Heft 2, 1987