Franz Petermann: Situationsbezogene Aggressionserfassung— ein neuer Weg der Verhaltensgestörten-Diagnostik?
rialien zur Einführung einer verhaltenstherapeutischen Behandlung.
Als therapeutisches Material ist der EAS
auf das Training mit aggressiven Kin
dern(Petermann& Petermann, 1984)
bezogen. Es läßt sich hierdurch die Ar
beit mit dem Einzelkind und der Kindergruppe verbessern. Im Kern wird damit der Anspruch einer therapiegeleiteten
Diagnostik eingelöst, die eine Verzah
nung von Diagnosestellung, Therapie
planung und Therapiekontrolle fordert
(vgl. Schulte, 1974). Die therapiebezoge
ne Nutzung des EAS kann zumindest in
vierfacher Weise erfolgen:
— Als Material für Diskrimminationslernen, in dem Sinne, daß das Kind zwischen unterschiedlichen Konfliktlösungen unterscheiden lernt;
— im Rahmen des Findens von kreativen Problemlösungen bei Konfliktsituationen; hierfür leistet vor allem das hohe Anregungsniveau des Materials selbst gute Dienste;
— als konkrete Vorlagen für Rollenspiele im therapeutischen Kontakt mit dem Einzelkind und bei der Arbeit mit der Kindergruppe;
— durch die verbale Aktualisierung der im EAS beschriebenen Konflikte werden Selbstverbalisationsfähigkei
Literatur
ten— als Vorbedingung für Selbstkontrolle— eingeübt. Die durch die Materialien ermöglichte Verzahnung von Diagnosestellung und therapeutischer Arbeit macht sicherlich den Wert des EAS für den praktischen Einsatz aus.
5. Die empirische Basis des EAS
Bei der Entwicklung eines situationsspezifischen Verfahrens muß die Situationsausgestaltung, d.h. die Wirkung der bildlichen und sprachlichen Information untersucht werden. Diese Informationskomponenten wurden in den ersten Validierungsstudien zum EAS aus dem Jahre 1980(Petermann& Petermann, 1980) durchgeführt. Offensichtlich löst nur eine realitätsbezogene Abbildung der Konfliktsituation Betroffenheit bei Kindern aus. Validierungsstudien mit Beobachtungsdaten zeigen, daß dieses Vorgehen gute Übereinstimmung mit täglichen Verhaltensbeobachtungen erbringt, die über einen Zeitraum von drei Wochen im schulischen Bereich durchgeführt werden.|
Neuere Studien liegen von Petermann& Noack(1984) vor, die eine Stichprobe aus Beratungsstellen(N= 160) einer Normalstichprobe(N= 719) gegenüberstellen. In dieser Arbeit lassen sich die Formen aggressiven Verhaltens mit Hilfe einer nonmetrischen multidimensionalen Skalierung trennen. Eine von den Autoren durchgeführte Auswertung dieser Daten anhand einer multivariaten Kreuztabelle durch log-lineare Modelle erbrachte differentielle Validität des EAS hinsichtlich der Variable„Handlungstyp”(= Reaktionswahl nach Abb. 2),„Umwelt”(= zu Hause, Schule, Freizeitbereich außerhalb des Elternhauses) und„Stichprobe”(= Beratungs- und Normalstichprobe). Zur Zeit werden Einzelfallstudien mit Hilfe der EAS systematisch ausgewertet, um differentielle Reaktionsprofile aggregativ zu bilden. Zusammenfassend können die bisherigen Ergebnisse den EAS als Möglichkeit der Aggressionsdiagnostik bestätigen, wobei die jüngsten Entwicklungen zur Verhaltensdiagnostik bei Schülern(vgl. Guthke& Witzlack, 1981; Zimmermann, 1982) diese Tendenz unterstützen.
Guthke, J.& Witzlack, G.: Zur Psychodiagnostik von Persönlichkeitsqualitäten bei Schülern.(Volk und Wissen) Berlin 1981. Hoefert, M.W.(Hrsg.): Person und Situation. Interaktionspsychologische Untersuchungen.(Hogrefe) Göttingen 1982. Moskowitz, D.S.: Coherence and cross-situational generality in personality. A new analysis of old problems. Journal of Personality and Social Psy
chologie, 43/1982, S. 757—768.
Mummendey, A.: Aggressives Verhalten. In: Thomae, H.(Hrsg.), Enzyklopädie der Psychologie, Band 2„Emotion and Motivation”.(Hogrefe)
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Olweus, D.: The consistency issue in personality psychology revisited with special reference to aggression. British Journal of Social and Clinical
Psychology, 19/1980, S. 377—390.
Petermann, F.: Einzelfalldiagnose und klinische Praxis.(Kohlhammer) Stuttgart 1982. Petermann, F.& Noack, H.: Analyse des EAS bei Kindern aus Beratungs- und Normalstichproben. Zeitschrift für Experimentelle und Ange
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Petermann, F.& Petermann, U.: Training mit aggressiven Kindern.(Urban& Schwarzenberg)(2.Aufl.) München 1984.
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HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG 1/1986
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