Eindenken und Einfühlen in Personen und deren Situationen zu erleichtern, um eine möglichst zuverlässige Kindreaktion zu erhalten(= hohe Selbstbetroffenheit; vgl. Wicklund, 1979). Als zentrale Bestandteile einer Situation werden Umwelt, Person und Verhalten angenommen und spezifiziert. Von ihnen werden die Richtlinien für die Itemgestaltung(= Situationsgestaltung) abgeleitet.
Ein Item besteht aus einer Situationsbeschreibung, einer bildlichen Darstellung und Reaktionsalternativen. Die Situationsbeschreibung umfaßt Angaben über die Umwelt, wie Orts-, Gegenstands- und Zeitangaben. Verschiedene Personen und Interaktionspartner sind aufgeführt. Eine(re)agierende Person ist immer in der Ich-Form beschrieben. Mit dieser Person soll sich ein Kind identifizieren und an ihrer Stelle eine der vorgegebenen Reaktionen als Handlungsausgang der Situation wählen. Die Situationsbeschreibung gibt noch den Handlungsablauf und die Handlungsdimension(= aktiv Aggression austeilen, Aggression erfahren, Aggression beobachten und Partei ergreifen sowie Alltagskonfliktsituationen) an. Die bildliche Darstellung enthält die gleiche Information wie die Situationsbeschreibung.
Reaktion(a)
erwünscht
Reaktion(b)
unerwünscht
Reaktion(c)
Das konkrete Bild soll die Beschreibung exakt visualisieren, ohne daß die bildliche Information über die Situationsbeschreibung hinausgeht. Das Bild hat somit eine die Beschreibung unterstützende Funktion und soll einem Kind das Eindenken in eine Situation erleichtern, was die Identifikation in einer Situation bzw. mit der darin handelnden Person erhöht. Die Reaktionsauswahl eines Kindes erhält dadurch größere Gültigkeit. Jeder Situationsbeschreibung und bildlichen Darstellung folgen drei, spezifisch auf die Situation bezogene Reaktionen, unter denen sich ein Kind für eine entscheiden muß.
Abstrakt formuliert enthalten die Reaktionen eine sozial erwünschte, eine leicht und eine schwer aggressive Problemlösemöglichkeit. Die drei Antwortkategorien erlauben eine klare Trennung sozial erwünschten Verhaltens von aggressiven sowie eine Differenzierung der erwünschten Reaktionen(vgl. Abb. 2). Aggressives Verhalten kann gegen Fremdpersonen, Gegenstände oder die eigene Person gerichtet sein und verschiedene Ausprägungsarten aufweisen (wie verbal/nonverbal; hinterhältig/direkt). Die Situationen und Reaktionen beziehen sich zudem auf unterschiedliche Umweltbereiche eines Kindes: in
nicht-aggressiv
aggressiv, jedoch liegt eine niedrige
7 Aggressionsstufe vor, d.h. nur in
Extremsituationen erfolgt eine aggressive Handlung.
sehr aggressiv, eine Therapie/Beratung wird benötigt, da eine signifikant überhöhte Reaktionsbereitschaft zur Aggression besteht.
18
Franz Petermann: Situationsbezogene Aggressionserfassung— ein neuer Weg der Verhaltensgestörten-Diagnostik?
der Schule, zu Hause, Freizeit außerhalb des Elternhauses. Alle Reaktionen sind in einer„Tylermatrix” eingeordnet, so daß man die Verteilung der Reaktionsarten und der Umweltbereiche erkennen kann.
4. Die Anwendung des EAS
Situationsbezogene Daten können zur
Erstellung eines differenzierten Reak
tionsprofils im Einzelfall herangezogen
werden.
Einzelfalldiagnostik ist nach diesem Ver
ständnis gleichbedeutend mit der inten
siven Analyse einzelner Reaktionen in
Abhängigkeit von bestimmten Umwelt
forderungen(Situationen: vgl. auch Pe
termann, 1982). Der EAS läßt sich in zweifacher Weise umsetzen:
(a) Zur Indikationsstellung,
(b) als therapeutisches Arbeitsmaterial.
Aus dem EAS lassen sich im Rahmen
der Indikationsstellung zumindest fünf
Informationen ableiten:
— Heranziehung des Summenwertes zur Kennzeichnung der generellen Behandlungsbedürftigkeit;
— Differenzierung der Angaben nach Umweltbereichen(zu Hause, Schule, Freizeitbereich außerhalb des Elternhauses)
— Differenzierung der Angaben nach Reaktionsformen(hinterhältiges Verhalten, beobachtbares Verhalten);
— Festlegung einer festen Behandlungsabfolge aufgrund der Gewichtigkeit der auffälligen Zellen in dem Reaktionsprofil(vgl. Tylermatrix in Petermann& Petermann, 1980). So könnte sich die Behandlung zunächst verbaler, dann körperlicher und abschließend hinterhältiger Aggression zuwenden;
— Verwendbarkeit der Diagnosemate
Abb. 2: Verdeutlichung der Reaktionsalternativen einer Situationsdarstellung.
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG 1/1986