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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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günstige Ausgangssituation kann sowohl zu Konflikten in der Ehe und den häufig mit ihnen verbundenen Auseinanderset­zungen vor dem Kind mit ihren bekann­ten negativen Folgen führen(Emery 1982) als auch zu allgemein unangemes­senen Reaktionen der Eltern bei abwei­chendem Kindverhalten. Wie eine Reihe von Interaktionsstudien zur Eltern-Kind­Beziehung nachweisen konnten, führt unkontrolliertes und emotionales Eltern­verhalten wiederum häufig zu eskalie­renden Auseinandersetzungen zwischen Eltern und Kindern. Patterson(1982) hat diese Zwangsprozesse für die Ent­stehung und Aufrechterhaltung aggres­siv-oppositionellen Kindverhaltens ver­antwortlich gemacht und sie ausführlich beschrieben.

Positive Familienvariablen und kindliche Entwicklung

Zwar konnte in den bisherigen Ausfüh­rungen gezeigt werden, mit welchen ne­gativen Bedingungen in der Familie das Auftreten unkontrolliert-aggressiven Kindverhaltens in Zusammenhang steht. Es gibt heute aber nur wenig Hinweise darauf, unter welchen positiven fami­liären Bedingungen solch aggressives Verhalten verhindert werden kann. Auch in der vorher zitierten Untersu­chung haben wir versucht, einige Va­riablen zu erfassen, von denen wir an­nahmen, daß sie einen positiven Einfluß auf das familiäre Zusammenleben aus­üben. Um empirisch zu überprüfen, wel­che unserer Variablen tatsächlich von den Eltern als positiv erlebt werden, wurden die Korrelationen zwischen dememo­tionalen Wohlbefinden der Eltern und weiteren Familienvariablen berechnet. Aus Tabelle 3 ist zu entnehmen, daß ei­ne Reihe von Faktoren des familiären Zusammenlebens mitemotionalem Wohlbefinden und Zufriedenheit der Eltern korrelieren. Nachdem bekannt ist, daßemotionales Wohlbefinden in einem negativen Zusammenhang steht mit dem Auftreten aggressiven Kindver­haltens(r=-0.28***), wäre zu erwar­ten, daß die in Tabelle 3 genannten posi­

F. Peterander ­

Familiäre Umwelt und die Entwicklung von Risikokindern

Tab. 3: Korrelation:Emotionales Wohlbefinden der Eltern undAggressiv-oppositionelles

Kindverhalten

emotionales Wohl­befinden(Eltern)

Familienvariablen

Elterliche Bewältigungsstrategien bei Kindproblemen:

Aktives Handeln Logische Analysen Positive Selbstinstruktion Emotionskontrolle

RARRAR

Soziale und persönliche Ressourcen der Eltern:

Positives Kontrollbewußtsein Hilfe von Freunden

Anzahl der Freunde und Kontakte Positive Freizeitgestaltung

* p< 0.05;** p< 0.01;*** p< 0.001

tiven und stressreduzierenden Familien­variablen in Familien mit Problemkin­dern signifikant negativ mit aggressivem Kindverhalten korrelieren.

Die Ergebnisse bestätigen allerdings un­sere Vermutung nicht. Es ist nicht das Fehlen positiver Aspekte des familiären Zusammenlebens, das zu den ungünsti­gen Entwicklungen in der Familie führt. Die Eltern aggressiver Kinder geben an, daß sie in ähnlicher Weise wie Eltern von nicht aggressiven Kindern aktiv Handlungen initiieren und Lösungen für die kindlichen Probleme suchen. Ihnen vergleichbar versuchen sie ihre schwieri­ge Familiensituation zu analysieren. Auch beimpositiven Kontrollbewußt­sein* zeigen sich nicht die erwarteten negativen Korrelationen(r= 0.01). Die korrelativen Beziehungen zu den Bewäl­tigungsstrategien der Eltern wieEmo­tionskontrolle undpositive Selbstin­struktion sind zwar negativ, aber nur in geringem Umfang.

Die Beziehungen zwischen sozialer Un­terstützung durch Freunde, Freizeitge­staltung und dem Kindverhalten zeigen ein ähnliches Ergebnis. Eltern mit ag­gressiven Kindern erfahren weniger Hil­fe, aber auch hier sind die Zusammen­hänge zwischen den Variablen nicht be­deutsam.

Diese Beobachtungen lassen den Schluß zu, daß die Probleme in den Familien

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIV, Heft 3, 1988

unkontrolliert-aggressives Verhalten(Kinder)

(x)(5) 0.43*** 0.08 0.25*** 0.10* 0.10*-0.11* 0.21**+-0.13**

(x)(r) 0.22*** 0.01 0.27***- 0.08 0.34+***- 0.09 0.33***- 0.11*

mehr mit dem Vorhandensein ungünsti­ger Bedingungen und Strategien im Um­gang mit dem Kind zusammenhängen als mit dem Fehlen unterstützender, positi­ver Variablen. Welche günstigen Bedin­gungen letztlich die Entstehung kindli­chen Problemverhaltens verhindern bzw. welche Umstände die Eltern befähigen, ihrem Kind gegenüber diejenigen inter­aktiven und kommunikativen Fertigkei­ten zu zeigen, die bei ihm zu einer emo­tional stabilen, sozial kompetenten und intellektuell leistungsfähigen Entwick­lung führen, läßt sich bislang nicht ein­deutig feststellen. Aus einer Vielzahl von Interaktions- und Beobachtungsstu­dien sind zwar diejenigen Muster der El­tern-Kind-Interaktion bekannt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit eine positive kindliche Entwicklung erwarten lassen. Es liegen aber bis heute nur wenige Er­kenntnisse vor, unter welchen Bedingun­gen in der Familie diese Verhaltenswei­sen von den Eltern auch geäußert wer­den.

Nicht zuletzt aus diesem Grund sollten die Zusammenhänge zwischen entwick­lungsförderlichem Elternverhalten und den Familienvariablen im Hinblick auf eine Verbesserung der Hilfen für das oh­nehin beeinträchtigte Kind verstärkt un­tersucht und beschrieben werden.

wm