F. Peterander
den Variablen„Finanzielle Probleme im Haushalt“,„Resignation im Umgang mit den Problemen der Kinder“,„Emotionskontrolle im Beruf“ stärker ausgeprägt. So besteht hier z.B. zwischen der Resignation der Eltern und dem aggressiven Kindverhalten ein hochsignifikanter Zusammenhang(r= 0.41; p< 0.001), während ein solcher bei der Experimentalgruppe nicht zu beobachten ist(r= 0.04, n.S.).
Es wäre allerdings nicht zutreffend aus diesem überraschenden Ergebnis die Folgerung abzuleiten, daß Eltern auffälliger Kinder trotz ihrer offensichtlich größeren Probleme mit ihren Kindern weniger resignatives Verhalten zeigen als Eltern unauffälliger Kinder. Ein Vergleich der Mittelwerte zu dieser Familienvariable zeigt nämlich eindrucksvoll, daß die Eltern von beeinträchtigen Kindern allgemein mehr resignatives Verhalten bei kindlichen Problemen äußern(p< 0.001), jedoch— wie aus Tabelle 1 zu ersehen ist— offensichtlich nicht in engem Zusammenhang mit aggressivem Verhalten der Kinder.
Kann dies ein Hinweis darauf sein, daß die untersuchten Familienvariablen in Familien mit Kindern, die aufgrund von Geburtsschädigungen Störungen aufweisen und aggressive Verhaltensweisen äußern, weniger bedeutsam für die Erklärung dieses Kindverhaltens sind als in Familien, in denen eine„Grundstörung‘‘ der Kinder nicht vorliegt? Zur Klärung dieser Frage haben wir in getrennt für die beiden Gruppen durchgeführten Regressionsanalysen die multiplen Korrelationen berechnet, um Aussagen über die durch die Familienvariablen erklärte Varianz im Hinblick auf das aggressive Kindverhalten machen zu können.
In Tabelle 2 sind die Ergebnisse der durchgeführten Regressionsanalysen dargestellt. In diesem Schritt zur Berech"nung der multiplen Korrelationen waren die in Tabelle 1 aufgeführten Variablen einbezogen, da sie aufgrund ihres bivariaten Zusammenhangs mit dem aggressiven Kindverhalten die höchste Varianzaufklärung erwarten ließen. Die fünf aufgeführten Variablen erwiesen sich letztlich als die besten Prädiktoren aggressiven Kindverhaltens.
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Familiäre Umwelt und die Entwicklung von Risikokindern
Tab. 2: Ergebnisse der schrittweisen Regressionsanalysen bei der Kontroll- und der Experimen
talgruppe Familienvariablen Kontrollgruppe Experimentalgruppe (unauffällige Kinder)(Problemkinder)
r beta x beta Emotionales Unwohlsein H 0.43*#* 0.18 0.36*** 0.27 Resignation K 0.41*** 0.18 0.04- 0.09 Finanzielle Probleme H 0.38*#* 0.21 0.11 0.02 Wütend-launisches Verhalten K 0.39*** 0.29 0.34*** 0.22 Emotionskontrolle B 0.27*** 0.26 0.02 0.03 R;, 0.64 0.41 R 0.41 0.17
*p<0.05;** p< 0.01;*** p< 0.001; H= Haushalt, K= Kinder, B= Beruf
Die Angaben in obiger Tabelle zur multiplen Korrelation enthalten doch recht unerwartete Ergebnisse. Während die fünf Variablen in den Familien mit unauffälligen Kindern 41% der Varianz des aggressiven Kindverhaltens erklären, können sie dies in den Familien mit beeinträchtigen Kindern lediglich zu 17%.
Aufgrund dieser Aussage läßt sich vermuten, daß die hohe Varianzaufklärung des aggressiven Kindverhaltens durch die untersuchten Familienvariablen in der Gruppe der unauffälligen Kinder ein Hinweis darauf ist, daß dieses Problem eher durch die Bedingungen des familiären Zusammenlebens verursacht wird und weniger im Kindverhalten selbst begründet liegt, d.h. die Familienvariablen spielen bei der Ausbildung aggressiven Kindverhaltens— und vermutlich auch anderer kindlicher Auffälligkeiten— bei diesen Kindern eine weitaus größere Rolle als in Familien, deren Kinder aufgrund organischer Schädigungen bereits gehandicapt sind.
Die Kinder der Experimentalgruppe haben aufgrund ihrer Beeinträchtigungen ohnehin Probleme in einer Reihe unterschiedlicher Verhaltensbereiche. Die aggressiven Verhaltensweisen dieser Kinder könnten demnach mehr mit diesen frühen Schädigungsbedingungen in Zusammenhang stehen als mit den Bedingungen in ihrer Familie.
Interessant wäre es in diesem Zusammenhang, in neuen Untersuchungen den Fra
gen nachzugehen, wie die„Ausgangsstörung“ und die familiären Bedingungen in Wechselwirkung zueinander stehen und welche besondere Rolle den Familienvariablen für die Ausbildung oder Verstärkung von Verhaltensproblemen bei Risikokindern zukommt.
Ein weiteres interessantes Ergebnis läßt sich aus Tabelle 2 ersehen. In beiden Gruppen tragen insbesondere Familienvariablen mit als negativ zu bewertenden emotionalen Inhalten zur Aufklärung der Varianz bei. Als gute Prädiktoren im Rahmen der Analyse haben sich ungünstige elterliche Emotionen wie schlechte psychische Befindlichkeit, resignativer Rückzug bei Problemen, wütend-verärgerte Reaktionen auf kindliche Probleme und starke Kontrolle der Emotionen im Beruf herausgestellt. Da auch die finanziellen Probleme in der Famlie in Zusammenhang mit Depression der Eltern stehen(Kontrollgruppe: r=0.29***; Experimentalgruppe: rı= 0.34***), wird zusätzlich die Bedeutung einer negativen emotionalen Situation der Eltern und der möglichen ungünstigen Folgen für die kindliche Entwicklung betont.
Die Reziprozität interaktionellen Verhaltens vorausgesetzt, liegt somit die Vermutung nahe, daß zumindest ein Teil des kindlichen Problemverhaltens durch ungünstige persönliche Ressourcen und psychische Befindlichkeiten der Eltern erklärt werden kann. Diese un
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIV, Heft 3, 1988