F. Peterander- Familiäre Umwelt und die Entwicklung von Risikokindern
| der Familien und elterliche Bewälti- Tab. 1: Korrelative Zusammenhänge zwischen unkontrolliert-aggressivem Kindverhalten und
gungsstrategien im Umgang mit kindlichem Problemverhalten die Beziehung der Eltern zu ihren Kindern beeinflussen und welche Folgen dies für die kindliche Entwicklung hat.
Interessant wäre— mit Blick auf diagnostische und therapeutische Entscheidungen— auch, zu erfahren, auf welche Weise die genannten Determinanten des Elternverhaltens im einzelnen untereinander sowie im Hinblick auf das Elternund problematische Kindverhalten zusammenhängen. Da zu diesem Fragenkreis bislang kaum umfassende Untersuchungen vorliegen, haben wir zu diesem Bereich eigene Studien durchgeführt (Peterander et al. 1987c, 1988).
Einige Teilergebnisse aus einer dieser Arbeiten sollen die Grundlage für die folgenden Ausführungen bilden(Peterander et al. 1988). Insgesamt wurden in der entsprechenden Studie 581 Familien mit auffälligen(N= 323, Experimentalgruppe) und unauffälligen(N= 258, Kontrollgruppe) Kindern im Alter von drei bis zwölf Jahren zu erlebten Belastungen im Haushalt, in der Ehe, mit den Kindern und im Beruf befragt. Die Kinder der Experimentalgruppe waren durch Geburtsschädigungen gehandicapt bzw. durch organisch bedingte Wahrnehmungs-, Leistungs- und Verhaltensstörungen beeinträchtigt. Die meisten dieser Kinder wurden im Rahmen der Frühförderung betreut. Die Eltern beider untersuchten Gruppen sollten angeben, mit Hilfe welcher Bewältigungsstrategien sie die genannten Probleme angingen. Zudem erhoben wir Daten zu den persönlichen Ressourcen der Eltern, wie z.B. der Ausprägung ihres Selbstwertgefühls und Kontrollbewußtseins sowie ihrer psychischen Befindlichkeit.
Ergebnisse der Analyse
In der nachfolgenden Tabelle 1 sind die korrelativen Zusammenhänge zwischen dem oft von Eltern beklagten„unkontrolliert-aggressiven‘ Kindverhalten und verschiedenen Familienvariablen in den beiden untersuchten Gruppen darge
unterschiedlichen Familienvariablen
Familienvariablen
I. Belastungen: Überlastung Finanzielle Probleme Unzufriedenheit Konflikte
II. Bewältigungsstrategien: Resignation Resignation Resignation Logische Analyse Aktives Handeln Informationssuche Wütend-launisches Verhalten Zeigen negativer Emotionen Emotionskontrolle
III. Ressourcen, Befindlichkeit: Emotionales Unwohlsein Negativer Selbstwert Negatives Kontrollbewußtsein Zeitdruck Stressreaktionen Depression
m
warn
Cl
Kontrollgruppe Experimentalgruppe (unauffällige Kinder)(Problemkinder) Tr r
0.26** 0.23*** 0.39*** 0.11 0.:39*** 0.23*** 0.23** 0.20** 0.30*+* 0.15* 0.41*** 0.04 0:22* 0.20*
- 0.06 0.21**+4
- 0.14 0.20**
- 0.10 0.21*+*+* 0.39**++ 0.34*** 0.24* 0.29**+ 0:27** 0.02 0.43*#* 0.36*** 0.23** 0.21*** 0.21** 0.23*** 0.23** 0.15* 0.29**+* 0.32*** 0.27*** 0.27***
*p<0.05,** p< 0.01,*** p< 0.001; H= Haushalt, E= Ehe, K= Kinder, B= Beruf
stellt. Aufgeführt sind nur die signifikanten Beziehungen, bei denen die Korrelation in einer der beiden Gruppen rı= > 0.20 ist.
Die Ergebnisse vermitteln einen ersten Eindruck von der Vielfalt der in der Familie vorhandenen Einflußvariablen und der Art und Ausprägung ihrer Wirkung auf das Kindverhalten.
Neben den in der ersten Gruppe festgehaltenen Belastungen der Familien im Haushalt und in der Ehe ist im zweiten Abschnitt der Tabelle 1 die von den Eltern erfragte Art und Weise ihrer Bewältigung von familiären Problemen aufgelistet. Schließlich sind unter Punkt III einige Moderatorvariablen genannt, wie emotionales Unwohlsein wegen der kindlichen Entwicklung, negatives Selbstwertgefühl der Eltern sowie der von ihnen empfundene Zeitdruck. Weiterhin finden sich Angaben über elterliche Stressreaktionen und depressive Symptome.
Sowohl die Belastungen der Eltern in Haushalt und Ehe, die meisten ihrer Be
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIV, Heft 3, 1988
wältigungsstrategien als auch ihre emotionale Befindlichkeit stehen in beiden Gruppen in enger Beziehung zum problematischen Kindverhalten. Nahezu alle Familienvariablen im Zusammenhang mit dem Auftreten aggressiven Kindverhaltens weisen darauf hin, daß die emotionalen Beziehungen in der Familie beeinträchtigt sind. Die Eltern fühlen sich oftmals emotional unwohl und in vielen Bereichen ihres Lebens überlastet. Eltern mit einem negativen Selbstwertgefühl und mit dem Erleben von Kontrollverlust leiden unter konflikthaften Bedingen in der Familie und bringen dadurch scheinbar nicht im wünschenswerten Maße Interesse und Toleranz gegenüber kindlichem Problemverhalten auf. Auffallend ist weiterhin, daß sich in Familien mit unauffälligen Kindern im Vergleich zu den Ergebnissen von Familien mit Problemkindern teils sehr erhebliche Unterschiede finden.
In den Familien der Kontrollgruppe sind die korrelativen Beziehungen zu aggressivem Kindverhalten besonders bei
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