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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Die Bedeutung des Vaters in geschiedenen und wiederverheirateten Familien

Von Wassilios E. Fthenakis, Renate Niesel und Rotraut Oberndorfer

Die internationale Forschung der letzten zwanzig Jahre konnte die Bedeutung des Vaters für die kind­liche Entwicklung in unterschiedlichen familialen Strukturen nachweisen. Besonders deutlich wird die­se Bedeutung in Untersuchungen, die sich mit der Funktion des Vaters als Mitglied des familialen Sy­stems während und nach einer Scheidung befassen. Scheidung ist im individuellen wie im familialen Le­benszyklus ein kritisches Lebensereignis, das das fa­miliale System nicht auflöst, sondern die Familien­mitglieder vor die Aufgabe stellt, ihre Beziehungen zueinander neu zu definieren und zu organisieren. Die Kompetenz und Bedeutung der Väter in diesem Prozeß wird häufig von den Vätern selbst, aber auch von den Müttern und den intervenierenden Diensten zu gering eingeschätzt. Durchgängiges Ergebnis aller Untersuchungen zur Entwicklung von Scheidungs­kindern ist jedoch, daß diejenigen Kinder das Schei­dungsgeschehen langfristig am besten bewältigen, die zu beiden Eltern qualitativ bedeutsame Beziehungen aufrechterhalten können, Dies gilt auch bei der Wie­derheirat eines geschiedenen Elternteils, die nicht selten den Versuch zur Folge hat, die Kontakte zum außerhalb lebenden leiblichen Elternteil einzuschrän­ken.

Eine systemorientierte Sichtweise der Familie im Scheidungs- und Nachscheidungsprozeß sollte zu In­terventionsansätzen führen, die alle Mitglieder des familialen Systems, also auch die Väter, in ihrer spe­zifischen Bedeutung berücksichtigen. Gegenwärtig scheinen jedoch Beratungsangebote wie auch Bera­tungsinhalte vielfach noch von einem eher traditio­nellen Vaterbild geprägt zu sein. Die vorliegenden Interventionskonzepte lassen sich unterteilen in sol­che, die umfassend angelegt sind und den gesamten Prozeß von der Ambivalenzphase bis hin zur Wie­derheirat therapeutisch und/oder beratend beglei­ten können, und solchen Ansätzen, die sich auf be­stimmte Problemstellungen oder Phasen der Reorga­nisation der familialen Beziehungen konzentrieren. Möglichkeiten zur Integration von schwerpunktorien­tierter und prozeßbegleitender Intervention werden

DZ

Family research over the past twenty years has pro­vided evidence concerning the important and spe­cific impact of fathers on their childrens develop­ment in different family settings. In particular, studies that investigated the function of the father as a member of the family system during and after divorce indicated to this significance. Divorce is a critical life event, not only in the individual but al­so in the family life cycle. Whereas it does not put an end to the family as a system it nevertheless re­quires the redefinition and reorganization of the family relationships. The competence and contribu­tion of the father in this process is often underesti­mated, not only by the mother and the intervening institutions but also by the father himself. However, one of the most consistent finding in all studies con­cerning the development of children following di­vorce is that those children who have the opportuni­ty to maintain meaningful relations with both par­ents after divorce adjust best to the new situation. This also applies when one divorced parent remar­ries. Despite this fact, remarriage of the custodial parent often leads to an attempt to reduce contact between child and non-custodial parent.

A system-oriented view of the family in the process of separation and reorganization requires interven­tion concepts that take into account the specific im­portance of each member of the family system in­cluding the father. Current intervention programs still tend to relate mainly to the traditional role of the father. Concepts of intervention can be classified into those including councelling and therapy through­out the process of separation and reorganization from the phase of ambivalence to remarriage and those that concentrate on a specific phase or prob­lem within the whole process. Ways of integrating problem-oriented and process-oriented intervention are developed and tested by theStaatsinstitut für Frühpädagogik und Familienforschung in Munich (FRG), whereby special consideration is given to the competences and needs of all family members in the councelling process.

180 HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIV, Heft 3, 1988